
Ankommen im Vorgarten
Ich freue mich auf die Fahrt nach Wilhelmshaven. Ulrike Koska sitzt am Steuer und ich darf gucken! Die kreisfreie Mittelstadt liegt an der Nordwestküste des Jadebusens, einer langgezogenen Meeresbucht an der Nordsee. Das Watt dieser Küste gehört zum Nationalpark “Niedersächsisches Wattenmeer”.
Da Wilhelmshaven den Tiefwasserhafen mit der größten Wassertiefe in Deutschland besitzt, wurde die Stadt der größte Marinestandort Deutschlands, damit auch einer der größten Marinestützpunkte in Westeuropa. Außerdem ist die wirtschaftliche Bedeutung des Standortes nicht gering einzuschätzen. Wilhelmshaven ist der größte Erdölumschlaghafen in Deutschland.
Unser Ziel ist nicht der Hafen, sondern der Parkplatz vor dem Haus der Familie Meuthen Eilerts. Als wir eintreten, stutze ich. Hoppala, das ist ja ganz schön groß, ist das tatsächlich erst der Vorgarten? Ja, so ist es, allerdings wirkt er durch die unterschiedlichen Pflanzzonen vom Mixed Border links von der Auffahrt über den alpinen Garten, die Orchideenwiese, ein Gräser- und ein großes Moor-Beet mit allein 20 qm Fläche, auf der rechten Seite um einiges größer als er ist. Mit alpinen Schätzen, wie der Silberwurz (Dryas), hätte ich jetzt nicht wirklich in einem norddeutschen Privatgarten gerechnet. Aber genau die wächst auf einer Mauerkrone rechtsseitig der Auffahrt. Hier befindet sich der weitaus größere Vorgarten-Anteil, in dem sich besondere Habitate befinden.
Iris x barbata ‘Ganea’, Zwergiris – Dryas octopetala, Achtkronblättrige Silberwurz – Pulsatilla vulgaris, Küchenschelle
Das Alpinum fällt mit seinen speziellen Pflanzen sofort ins Auge. Die Alpine Orchideenwiese schließt sich nahtlos an diesen steinlastigen Gartenteil an. Ein Weg führt daran entlang bis hinter zum Moorbeet. Auf der anderen Seite ist das Gräserbeet. Die großen Blätter des Schwarzen Germer entwickeln sich da gerade, die Blütenstände einer hübschen mittelhohen Carex Art oder Sorte sind jedoch fertig ausgebildet. Der Weg ermöglicht, alles in Ruhe aus der Nähe betrachten. Wobei, ehrlich gesagt, Ruhe habe ich nicht! Ich weiß ja gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll.
Enzian, Küchenschelle, Adonisröschen, Edelweiß und kleine Frühlings-Geophyten haben im Alpinum ihren Platz gefunden und wachsen zum Teil einfach in die Orchideenwiese hinein. Diverse Orchis– und Dactylorhiza-Arten, Gymnadenia conopsea und Himantoglossum hircinum, insgesamt ca. 30 unterschiedliche, terrestrische Orchideen sind hier zuhause. Dafür musste Peter sein geliebtes Heidebeet im Jahre 2005 aufgeben. Die Kalksteine, die er in der Wiese integrierte, kommen von der Schwäbischen Alb.
Helonias bullata, Moornelke – Andromeda polifolia, Rosmarinheide – Orchis morio, Kleines Knabenkraut
Das Moor hingegen ist dekorativ mit Torfziegeln und Steinen aus dem Schwarzwald eingefasst. Bis auf einige große Solitäre, die ein befreundeter Steinhändler geliefert hat, sind die Steine, die nicht nur aus dem Inland stammen, direkt von Peter gesammelt worden. Neben der Malerei sind Steine seine Leidenschaft und so findet man sie immer wieder in jeglicher Form überall im Garten. Zwei Jahre lang hat sich Erika akribisch in das Thema “Moor” eingelesen und vorbereitet. Entsprechend professionell ist die Wirkung dieses Habitats und überzeugend die Pflanzung. Von verschiedenen Insektivoren wie Sarracenia, Schlauchpflanze, Pinguicula, Fettkraut, Drosera, Sonnentau, Dionea muscipula, Venusfliegenfalle, Narthecium ossifragum, Moorlilie und Helonias bullata, Moornelke bis zu Orchideen-Raritäten wie Pogonia ophioglossoides und Calapogon tuberosus reicht die Pflanzpalette. Mit Kalmia polifolia ist auch ein Gehölz integriert. Dieses Angebot an Pflanzen im Moorbeet finde ich beachtlich, einige kannte ich bisher nur von Botanischen Gärten.
Das grüne Tor in den großen hinteren Garten
Was mir schon anfangs sehr angenehm in diesem Sammlergarten auffällt, ist mein Empfinden, mich in einer wunderschönen, harmonischen Anlage, die mit einem exzellenten Farbempfinden, gutem Geschmack und feinem Gespür für die unterschiedlichen Blatttexturen angelegt wurde, zu befinden.
Hier sind Pflanzen- und Steinsammler am Werk, die nicht nur auf Raritätenjagd gehen, sondern die ihren Schätzen auch das bestmögliche Habitat zum guten Gedeihen anbieten. Wenn ein Sammler mir genau diesen Eindruck vermitteln kann, dann ist das für mich Gartenkunst. Dazu kommt der Respekt der Gartenbesitzer vor ihren Gartenschätzen.
Alles ist so präsentiert, dass es bestmöglich zur Geltung kommt. Auffällige Stauden und Gehölze bekommen, wenn es Sinn macht und der Ästhetik dient, wie bei der Funkie, Hosta lancifolia ‘Chinese Sunrise’, oder dem gelbpanaschierten, japanischen Waldgras, Hakonechloa macra ‘Aureola’, eine Einzelstellung. Dekorationen sind sparsam, zum Großteil aus Naturmaterialien gefertigt, im Garten verteilt. Es wäre auch kontraproduktiv, zu versuchen, der Schönheit der Gehölz- und Staudenschätze, eine Konkurrenz an die Seite zu stellen. Umso mehr Beachtung finden die vorhandenen, geschmackvoll und dezent im Garten und am Haus verteilten Dekostücke.
Muscari armeniacum ‘Fantasy Creation’ – im hinteren Garten – Cymbalaria pallida ‘Alba’, Zimbelkraut
Wann und wie begann eigentlich die Entwicklung dieses Gartens? Seit wann stecken Erika Meuthen und Peter Eilerts ihre Energie und ihr Herzblut in ihn hinein? Das ist schnell erzählt.
Die Entstehungsgeschichte des Gartens begann 1984. Die beiden Gärtner feiern deshalb dieses Jahr ihr 40-jähriges Gartenbestehen. Zu diesem Jubiläum kann ich nur von Herzen gratulieren, wenn ich mir wieder und wieder die gelungenen Gartenszenen in den Fotos anschaue.
1983 wurde erst einmal der Hausbau gestemmt, bevor es an die Planung des 900 qm großen Gartens ging. Ein Jahr später begann auf der vormaligen Kuhweide, die noch mit dem Bauschutt der umliegenden Grundstücke belastet war, der heutige Garten. “Nach den Aufräumarbeiten”, so erzählt Erika: “wurde der Rasen angesät, damit es erst einmal grün war”. Das bedeutet, Schmuckgehölze, wie Choisya ‘Aztec Pearl’, die Orangenblume, mussten seinerzeit noch eine Weile auf ihren großen Auftritt warten.
Das gleiche galt auch für die Staudenraritäten, wie Plantago nivalis, den Wolligen Wegerich. Sie Alle waren noch nicht dran. Erika und Peter planten erst einmal das Grundkonzept für den Garten und die Form der Beete. Danach verlegte der Hausherr die beiden Terrassen. Erst dann begann die eigentliche Kür im Garten, die Beetbepflanzung.
Pleione formosana, Tibetorchidee – Gehölze im hinteren Garten – Epimedium grandiflorum ‘Queen Esta’, Elfenblume
Während der Heidegarten im Vorgarten, den oben beschriebenen Moor- und Alpinen Beetbereichen später weichen musste, gab es im hinteren Gartenbereich lediglich Aufwertungen in der Qualität und Seltenheit der Pflanzen, aber das Grundkonzept blieb bestehen.
Heuchera Hybride – Mukdenia rossii, Ahornblatt – Tinantia pringlei ‘Variegated’
Natürlich gab es auch einige Fehlplanungen, die das Ehepaar ausmerzte. Die in der Höhe und der Auswahl sehr unterschiedlichen Gehölze, die den Peripherie-Bereich rundum sehr natürlich zu einem sehr schön gestalteten, inzwischen reif gewordenen, breiten Schattenstreifen werden ließen, führten durch die schnell zu mächtig und dominant gewordenen Koniferen zu einem Ungleichgewicht. Das war zu viel des Guten, es sollte ursprünglich nur ein natürlich wirkender Sichtschutz sein.
Epimedium ‘Moonlight’, Elfenblume – Randbeet – Fritillaria pallidiflora
Die zu dominant wirkenden Koniferen wurden also wieder entfernt und durch kleinere Gehölze, wie Cornus kousa, Cercis canadensis ‘Forest Pansy’, Cornus controversa ‘Variegata’ und die Choisya ‘Aztec Pearl’ ersetzt. Auf der Ostseite links wurden Kamelien gepflanzt.
Trillium grandiflorum, großblütige Waldlilie – Arisaema ringens, japanische Kobralilie – Cypripedium fasciolatum x macranthos album ‘Sabine Pastell’, cremeweiße Frauenschuhhybride
Die Unterpflanzung mit asiatischen und nordamerikanischen Schatten- und Halbschattenstauden wie Uvularia grandiflora, dem Großblumigen Glockenkraut, oder diversen Exemplaren von Trillium, Hosta, Podophyllum, Arisaema, Dysosma und verschiedenen Farnen ist sehr stimmig und Blüten und Blattstrukturen schaffen immer neue Bilder im Gesamtgemälde des Gartens.
Dieser sehr beeindruckende und ausdrucksstarke Gehölzsaum, der den kompletten hinteren Gartenbereich einrahmt, wird durch einen schlichten Steinweg, dessen Farbe sich in senkrechten Kanthölzern und Steinquadern, die das Beet teilweise anheben, um noch mehr Bewegung in die “Beet-Wellen” zu bringen, mitmäandernd begleitet. Innerhalb liegt eine große, ruhige, niedrig gehaltene Raseninsel. Dieses entsprechend harmonische, ruhige Pendant lässt die Augen innehalten und die wenigen Unterbrechungen mit Solitärsteinen oder einem hohen Baum, der für Clematis alpina, die Alpenwaldrebe, als Kletterhilfe dient, würdigen, um dann für die nächsten Entdeckungen von Pflanzenschätzen in den Rundum-Beeten bereit zu sein.
Die an der Südseite gepflanzte große Catalpa bignonioides, ein Trompetenbaum, grenzt an die große Terrasse und schenkt nicht nur wunderbaren Schatten, sondern verzaubert während der Blüte die Gäste auf der Terrasse auch mit einem feinen Duft. Eigentlich möchte ich dort auch fotografieren, aber es fallen plötzlich erste, vereinzelte Regentropfen.
Ich folge lieber dem Weg weiter, denn ich stehe vor einem hübschen dunkelgrün, mit weiß abgesetzten Fensterrahmen gestrichenen Gartenhaus, hinter dem mir ein weißes, rosafarbenes und rotes Blütenmeer entgegenleuchtet. Es sind mit Blüten überschüttete Kamelien in einer stattlichen Größe. Das wundert mich nicht, als ich erfahre, dass die Pflanzen bereits 30 Jahre alt sind. Auch hier finden sich exquisite Unterpflanzungen, die man trotz der dominanten Gehölzblüte einfach nicht übersehen kann.
Corydalis flexuosa ‘Blue Panda’, gebogener Lerchensporn und Anemone nemorosa ‘Blue Eyes’
Als ich dem Weg weiter folge und in den Schattenbereich hinter dem Haus gelange, wird aus den einzelnen Tropfen plötzlich ein Starkregen. Ich werfe noch einen Blick auf die Farne, Hostas, Hortensien und den Eisenhut, laufe aber dann doch, die Kamera geschützt unter dem Pullover, auf dem schnellsten Weg zur Terrasse und ins Haus. Vielleicht hätte ich bei schönem Wetter noch einen Blick auf die Waldohreule erhaschen können, die seit mehreren Jahren bei Familie Meuthen Eilerts wohnt. So bringe ich mich lieber als “halbbegossener Pudel” im Haus in Sicherheit.
Der Abschied naht
Eigentlich war ich nicht traurig, dass es gegen Ende meines Rundgangs, ausgerechnet beim Farbfeuerwerk der Kamelien, heftig zu regnen begann. Als ich nämlich ins Haus flüchte, sehe ich gerade Ulrike Koska in Aktion mit dem Hausherrn beim Aufnehmen des folgenden Videos und ich durfte die schönen Landschafts- und Blumen-Bilder von Peter Eilerts bewundern.
Vergesst bitte nicht den Ton laut zu stellen, es gibt eine kleine Führung durch den Hausherrn persönlich:
Ich bin noch lange von der Kreativität des Paares, nicht nur im Garten, beeindruckt. Die Liebe, mit der dieser Garten in den letzten Jahrzehnten entwickelt worden ist, ist tatsächlich auf jedem einzelnen Quadratmeter spürbar. So wundert es mich nicht, als ich vor kurzem eine Mail von Erika bekomme, in der sie mir schreibt:
“Unser Garten ist unsere Seele. Was brauchen wir mehr!”
Ich glaube, ein Stückchen Gartenseele ist auch in den herrlichen Blumenbildern von Peter Eilerts enthalten.
Liebe Erika, lieber Peter, ich möchte noch einmal ganz herzlich danke sagen für Eure Gastfreundschaft und die Erlaubnis, Euer besonderes Refugium in Wurzerlsgarten vorstellen zu dürfen.
Raritätengarten Erika Meuthen und Peter Eilerts
Adresse: PLZ 26389 Wilhelmshaven, Zeppelinweg 1
Kontakt: Tel. 04421/82798 E-Mail: erikameuthen@hotmail.de
4 Kommentare
Erikas und Peters Garten ist zu jeder Jahreszeit sehenswert. Christiana
Ein fantastischer Bericht. Manchmal geht man in einen Garten und spürt sogleich die Seele des Besitzers in ihm.
Wenn dann noch Leidenschaft und Pflanzenkenntnis hinzukommen wird der Garten vollkommen. Erikas und Peters Garten ist solch ein magischer Ort, der den Besucher sogleich verzaubert.
Danke liebe Gunda für Deine Einschätzung. Ich sehe das genauso. LG Wurzerl
Hallo Renate,
ich weiß nicht was beeindruckender ist – der Garten mit seiner Vielfalt oder die Gemälde.
VG
Elke