Ankommen
Für heute ist tatsächlich ein April-Regenschauer angesagt. Ulrike Aljets, vormals Koska, ist schlau. Da sie weiß, dass ich nachmittags in den Waldgarten von Amanda Peters in Wiesmoor möchte, hat sie kurzerhand einen Garten, nicht nur in der gleichen Stadt, sondern sogar in der gleichen Straße für einen Vormittagsbesuch ausgesucht.
Wiesmoor, die ostfriesische Stadt im südöstlichsten Zipfel des Landkreises Aurich empfängt uns im lichtlosen Grau, das bereits den bevorstehenden Regen ankündigt. Das schmälert zwar automatisch die Qualität meiner Bilder, aber nicht meine Fotografier-Lust, der ich schon im Eingangsbereich fröne. Karin und Günter lichte ich gleich nach der Begrüßung vor ihrem akkurat geschnittenen “Eiben-Sofa” an der Hauswand ab.
Es wird immer dusterer am ostfriesischen Himmel, also laufe ich gleich mal los auf meine Fotopirsch. Die frühere Hofeinfahrt ist abwechslungsreich mit ländlichen Dekorationen auf beiden Seiten des Holzzauns bestückt. Wenn alles so perfekt zusammenpasst wie hier, dann wirkt es auch keineswegs überladen.
Im Garten unterwegs
Von einigen Gehölzen, wie der Kamelie, oder den Rhododendren kann mir Karin keine Sortennamen nennen. Sie waren bereits von den letzten Vorbesitzern des Grundstücks gepflanzt worden. Ursprünglich war hier eine Hofstelle für Selbstversorger. Auf dem Grundstück wurde ab ca. 1927 Torf abgebaut, dieser nach Emden verschifft und Kleiboden und Mist im Gegenzug zur Bodenverbesserung wieder mitgebracht.
Ende der 1980er Jahre etablierte sich bis zum Jahrtausend-Wechsel eine Baumschule, mit Schwerpunkt Rhododendren und Azaleen. Als Karin Brenke-Lehmann und Günter Lehmann im Januar 2000 hier einzogen, gab es bereits eine gute Gehölzstruktur im Garten.
Ich bin inzwischen im großen Garten angekommen, nachdem ich eingangs die Hausmauer, hauptsächlich mit Blick zur anderen Seite entlanggelaufen bin. Als sich links eine kleine Lücke im Gehölzstreifen öffnet und ein kleiner Holzschnitzelweg zu einem Abstecher einlädt, werde ich neugierig. Es lohnt sich, ich bin mitten im Schlafzimmer von Familie “Hosta” gelandet. Das Eisen-Bettgestell schützt sie vor Schnecken, der lichte Schatten der Bäume und Sträucher rundum vor Sonnenbrand. Es ist zusätzlich ein idealer Platz für verschiedene Bodendecker wie Bärlauch, Allium ursinum, die Schwefelgelbe Elfenblume, Epimedium x versicolor ‘Sulphureum’ und verschiedene Lenzrosen, Helleborus x hybridus.
Trotz erster, vereinzelter Regentropfen fühle ich mich in diesem heimeligen Elfen-Refugium sehr wohl. Gelassenheit, Humor und Harmonie strahlt dieser ländliche Garten aus. Gelassenheit haben auch Karin und Günter bewiesen, als sie mit einer Menge Pflanzen, vor allem Stauden, aus dem Osnabrücker Land hierhergezogen sind. Ein Teil ihrer Lieblingsgehölze, die da wären: Taschentuchbaum, Sumpfzypresse, Ginkgo, Hortensien, Buchs und Clematis, erwarteten sie bereits im Garten oder wurden ergänzt.
Nach und nach wurde der bestehende Garten umgestaltet. Die Rasenflächen wurden kleiner und immer neue Staudenbeete vor dem Gehölzgürtel, oder als Inseln mitten im Rasen, angelegt. Mit Bögen- und Rund-Abschlüssen zum niedrig gehaltenen Rasen, entstehen weiche Linien, die ich gerne entlanglaufe, um die Einzelheiten in Ruhe betrachten zu können. Der Rasen ist deshalb kurzgehalten, weil er gleichzeitig als Wiesenweg dient, auf dem man sich instinktiv von interessanten Pflanzkombinationen zu außergewöhnlichen Gehölzen oder zu verschiedenen Sitzplätzen treiben lassen kann. So bringt das Grün in seiner Gesamtheit Ruhe in den Garten, die nicht von Weg-Führungen unterbrochen wird.
Staphylea colchia, Pimpernuss – Waldsteinia ternata, Ajuga reptans ‘Atropurpurea’ Alllium ursinum – Tulipa viridiflora ‘Spring Green’, Leucojum aestivum
Ein Reißbrett braucht Karin bei ihrer Planung durchaus nicht. Mit Kopfkino, gutem Gespür und Geschmack geht sie instinktiv vor. Pflanzstellen werden ausgesucht, vorbereitet, die Stauden dafür gekauft und eben meistens wieder ein kleines Stück Rasen geopfert, damit die Vielfalt im Garten weiter zunimmt. Dabei berücksichtigt sie auch die vorhandenen Bodenverhältnisse, die im Fehn-Gebiet inzwischen zwar einen Mischboden darstellen, der aber doch eher sauer ist.
Mein Besuch findet im April statt und ich bin ziemlich baff, wie dicht die Staudenaustriebe jetzt schon die Beete einnehmen. Ich selbst pflanze auch sehr viele unterschiedliche Stauden auf engstem Raum. Das fördert die Pflanzen-Vielfalt, die Erde trocknet nicht so schnell aus und unerwünschte Beikräuter schaffen es nicht so leicht zu keimen. Bei dieser Dichte kommen auch die unterschiedlichen Blatt-Farben und -Strukturen bereits im Frühling voll zur Geltung.
Im Garten selbst wird mit den Dekorationen eher sparsam umgegangen, sie setzen entweder dezente Akzente, oder lenken den Blick in die von der Gärtnerin gewünschte Richtung. Besucher, die den Garten noch nicht kennen, entdecken so leichter gelungene Staudenkombinationen.
Ich nähere mich dem Teich, der zwar ursprünglich schon vorhanden war, aber 2014 von Karin und Günter verkleinert und neu angelegt wurde. Das Ufer ist etwas untypisch für einen Teichrand angelegt, was mir jedoch sehr gut gefällt. Ilex crenata ‘Helleri’, mit Wolkenbaum-Formschnitt, davor Hakonechloa macra ‘Aureola’, das gelbe Japanische Waldgras, setzen hier besondere Akzente und rundum geht es spannend und abwechslungsreich weiter. Die Kies-Abdeckung, die teilweise auch als Durchgangs-Möglichkeit dient, gehört zum Gartenkonzept. Die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der der Kies am Wasser zu finden ist, zwischen und in die Gehölze hinein Holzschnitzelpfade führen und die großzügigen Rasenwege zwischen den Mixed Bordern und Staudenbeeten, all das lässt mich manchmal tatsächlich vergessen, dass ich in einem angelegten Garten bin.
Der Regen wird ungemütlich
Unmittelbar am Teich entstand auf einem Holzdeck mit einer Blauregen-Pergola begrenzt, einer der Lieblings-Sitzplätze von Karin und Günter. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie einen Monat nach meinem Besuch, der Übergang vom Wasser zur Terrasse mit grüngelb blühendem Frauenmantel und Farnen zugewuchert ist und ein blauer Wasserfall an Wisteria-Blüten von der Pergola nach unten strebt.
Im Teich sehe ich, wie sich vermehrt die Regentropfen auf der Wasseroberfläche kringeln. Das ist für den Fotoapparat nicht prickelnd, ich müsste ihm mal einen Regenschirmaufsatz basteln! Aber eigentlich habe ich keine Zeit für den Regen. Ich bin mit einer Zement-Vogeltränke einem Rhabarberblatt nachempfunden, am Teichrand beschäftigt und einem Carex testacea, einer orangeroten Neuseeland-Segge, die sich noch etwas winterblass, erst in der zunehmenden Frühlingssonne herrlich verfärben wird. Sie sieht mit Ajuga reptans, dem Günsel, genauso gut aus, wie mit dem Solitärstein, den Karin liebevoll ihren Dino-Stein nennt.
Auch wenn es immer feuchter und unangenehmer wird, ich möchte noch unbedingt hinter zum Gemüsegarten, zu den Hühnern und Laufenten, die sehr viel Platz haben und wohl in einem ehemaligen Schäferwagen Zuflucht vor dem Wetter suchen. Auch “Ivy”, der Britische Collie hat mich längst im Stich gelassen und ist ins Haus geflüchtet, so wie Karin, Günter und Ulrike. Die beiden Katzen, Oskar und Inka haben sich gar nicht erst sehen lassen.
Auch die Wildtiere scheinen wasserscheu zu sein. Es passiert sonst schon mal, dass sich ein Rehbock oder Hase in den Garten verläuft. Eichhörnchen, Buntspechte, Meisen und viele andere Vögel sind regelmäßig am Futterhaus. Heute würde Karins Freundin nicht behaupten, dass sie einen “Petterson und Findus Garten” besäße.
Der Gemüsegarten wurde ebenfalls von den Vorgängern her, relativ groß erhalten. Als ich den Mann mit der Gießkanne entdecke, reicht es, mir läuft das Wasser schon in den Nacken und ich mache kehrt, ohne die Hühner und den Gemüsegarten in seiner Pracht abzulichten.
Durchlaufen kann ich natürlich nicht so einfach, ich muss noch verschiedene Ecken für Euch ablichten. In Hausnähe hat Karin einige Gehölzschnitte vorgenommen, das bringt eine kleine Veränderung in der Sichtweise zur sehr natürlich gestalteten Peripherie und Gartenmitte.
Hier darf auch wieder ein wenig Zuwachs an Dekorationen sein. Osmunda regalis, der frisch austreibende Königsfarn, die Gräser, Blühstauden und Gehölze mögen diese I-Tüpfelchen der Aufwertung. Als ich die Hauswand erreiche sehe ich einige von Karins Lieblingsstauden.
Die Primeln haben hier zusammen mit Beinwell, dem Tränenden Herz, und dem Spanischen Hasenglöckchen einen geschützten Platz gefunden und blühen überreich. Weitere Lieblingsstauden, wie Phlox und Päonien sind noch mit dem Neuaustrieb beschäftigt und werden Karin erst im Sommer erfreuen. Als ich am Wintergarten ankomme und es nur noch fies schüttet, winkt mich Karin mit einer heißen Tasse Ostfriesentee hinein. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ulrike hat schon vorgearbeitet und mit Karin und Günter das kleine Video-Interview für Euch gemacht. Vielen Dank liebe Ulrike. Jetzt im Hochsommer braucht Ihr auch keinen Ostfriesentee trinken, wenn Ihr auf das Video klickt und den Ton laut stellt.
Liebe Karin und Günter, ich danke Euch Beiden ganz herzlich, dass ich mit Ulrike kommen durfte, wir uns endlich persönlich kennengelernt haben und Ihr mir erlaubt habt, bei Euch zu fotografieren und diesen Beitrag hier in Wurzerlsgarten zu veröffentlichen.
Garten Karin Brenke-Lehmann und Günter Lehmann
Adresse: PLZ 26639 Wiesmoor, Süderwieke II 73
Kontakt: Tel. 04944-3107 E-Mail: karin-brenke.lehmann@ewe.net
8 Kommentare
Sehr inspirierend und sicher einen Besuch wert. Schließlich machen Hühner und Gemüsegarten noch neugierig. Schönes Wochenende wünscht Karin aus Melle
In so einem schönen Garten werde ich gerne zur Wiederholungstäterin, möchte gerne im Sommer nächstes Jahr wiederkommen. LG Wurzerl
Liebe Renate. Wieso haben wir diesen herrlichen Garten nicht schon früher entdeckt.? Waren doch schon oft in der Nähe. Ich hoffe , ich komme auch noch hin. So schön.
Liebe Christa, ich glaube, in Ostfriesland gibt es noch viele Garten-Schätze zu entdecken. Ich freu mich jedenfalls immer, wenn ich so etwas schönes wie bei Karin und Günter mit Hilfe unserer Freund*innen in Ostfriesland entdecke. LG Wurzerl
Danke für diese schöne Gartenrunde, und dann auch noch in unserer Nähe, liebe Renate.
Der große Stein ist wirklich ein besonderes Exemplar….. vielleicht bekomme ich ja Inspiration für unseren neuen Garten, denn wir sind jetzt quasi „steinreich“! 🫣
Da könntest Du auch im Garten Meuthen fündig werden, das sind auch Steinsammler. LG Wurzerl
Ein Garten in der gleichen Straße ist wirklich praktisch.
Der Bärlauch sieht hier ja ganz klein und handzahm aus. Ich bin gespannt, ob das so bleibt oder ob er wie bei mir bald die kleinen Stauden plattmacht.
VG
Elke
Ein so wunderschön natürlich und vielfältig angelegter Garten, der einen verzaubert. So mit ganz viel Liebe und Herz.