Charmanter Seniorengarten Christa Welling, Leer/Ostfriesland

Kamelie im Seniorengarten von Christa Welling, in Leer

Ankommen im Sekretariat von „ In Nachbars Garten“ bei Christa Welling, Leer

Leer ist die drittgrößte Stadt Ostfrieslands. Dank der Lage an Ems und Leda gibt es dort seit Jahrhunderten einen Hafen. Handel und Seefahrt prägen diesen Ort bis heute, darum befindet sich hier auch einer der größten Reederei-Standorte Deutschlands. Die Altstadt besitzt einen guten Bestand an historischen Gebäuden. Auf die lange geschichtliche Entwicklung der Stadt, seit der frühen Erstbesiedelung, deuten viele Funde hin. In einem Großsteingrab im nordwestlichen Stadtgebiet entdeckte man bedeutungsvolle und aufschlussreiche Funde aus der Zeit von 2900 bis 2700 vor Christus.

Ich bin mit Malte Schoon und Marion Nickig in Leer unterwegs. Unser Besuch gilt Christa Welling und ihrem Garten. Ich hatte schon so viel Gutes über ihre ehrenamtliche Tätigkeit für die Stiftung „Het Tuinpad Op / In Nachbars Garten“ gehört, so dass ich nach Jannie Bos in der Provinz Groningen auch Christa auf der deutschen Seite in Ostfriesland gerne persönlich kennenlernen wollte.

Christa Welling gärtnert seit 1989 in ihrem 600 qm Stadtgarten. Vorhanden war bei der Gartenübernahme eine Doppelreihe Koniferen, eine Berberitzenhecke, ein seitlicher Grasstreifen und in der Gartenmitte Rasen, wie er in den 70iger Jahren häufig zu finden war.

Christa leidet seit ihrer Geburt an den Folgen eines nicht vollständig ausgebildeten Lymphsystems. Die sich im Laufe der Jahrzehnte verschlimmernden Beschwerden, dazu ihre Vollzeitbeschäftigung im Beruf, setzten klare Grenzen. Der Garten sollte überschaubar in der Pflege sein. Da sie nicht aus einem grünen Beruf kam, sondern als Energieberaterin tätig war, ließ sie sich von einer Mitarbeiterin der Landwirtschaftskammer bei der Erstellung eines veränderten Gartenplanes beraten.

Tulipa ‘Lilac Wonder’ – Kamelien Hybride – Camassia, Prärielilie

Ein romantischer Garten entsteht

Nachdem die Hecke und die Koniferen gerodet und ein Teil des Rasens zugunsten von einigen Beeten umgegraben war, wurde neben dem Haus eine Terrasse mit Zugang zur Küche gebaut. Der 15 Jahre alte Walnussbaum, den Christas Vater aus einer Nuss selbst aufgepäppelt hatte, zog genauso ein, wie ein Flieder, den die Mutter als Hochstamm gezogen hatte. Das Haus wurde mit Kletterhortensien und Winterjasmin aufgehübscht, auf der anderen Hausseite ein Blauregen gepflanzt. Rosen, eine Birke, Obstbäume, und Buchsstecklinge für die Umrandung der vier Gemüsebeete kamen hinzu. Stauden und Annuelle wurden nach dem Motto: „Right plant – right place“ als Unterpflanzung der Gehölze, oder für Beete ausgesucht. Der Anfang zu einem romantischen Garten war gelungen.

Der Teich wurde vom Vorbesitzer übernommen, feuerverzinkte Rosenbögen und Säulen in Rostoptik aufgestellt. Auch einen eigenen Komposthaufen legte Christa im Garten an. 2001 ließ sie dann auf der ehemaligen Terrasse einen Wintergarten an das Haus anbauen. Als eine der verbliebenen Koniferen für den Garten zu groß geworden war, wurde sie gefällt und wich einem Gewächshaus, das als Überwinterungsmöglichkeit für Kübelpflanzen dient und sommers den geschützten Anbau von Gurken und Tomaten ermöglicht.  

Der Garten entwickelte sich gut. Eng gepflanzte, passende Stauden zwischen Rosen in den Sonnenbeeten und unter den Baumscheiben der Gehölze schufen authentische Gartenräume, ohne dass es Heckenabtrennungen gibt. Christa richtete mehrere Sitzplätze ein. Das bringt ihr nicht nur die Möglichkeit, abwechselnd das Leben im Teich zu beobachten, oder in der Nähe des Walnussbaums, unter dem am Jahresanfang erst Frühjahrsblüher, später verschiedene Hostas und Farne gedeihen, Waldrandatmosphäre zu schnuppern, es schafft vor allem die Möglichkeit, sich schnell setzen zu können, wenn der Körper eine Pause braucht.  

Den Plan eines „seniorisierten“ Gartens, setzte Christa vorerst nur halbherzig um. Ihre Vorstellungskraft für ein pflegeleichtes Areal endete, wenn es um Pflanzenvielfalt und Garten-Ästhetik ging. „Frau hat so ihre Wünsche“! Ich kann das gut verstehen, mir geht es ähnlich.

Einiges ergab sich inzwischen von allein. Die Buchsumrandung der vier Gemüsebeete wurde erst krank und danach vom Zünsler heimgesucht. Eine neue Hecke aus Ilex crenata ‚Dark Green‘ wurde gepflanzt. Erst 2022 entstand das viel einfacher zu händelnde neue Gemüseareal, auf einer großzügig bemessenen mit Schredder belegten Fläche. Es sind jetzt vier Hochbeete im Einsatz, etwas kleiner als die vorherigen Beete, aber mit Gehhilfe sind alle überall gut erreichbar. Sie stehen auf kleinen Beton-Fundamenten, damit sie nicht absacken. Mittig lockert ein Säulenapfel den Platz optisch auf.  

Das Leben und Erleben im Garten Christa Welling

Christa liebt es, das Leben und Gedeihen in ihrem Garten zu beobachten, das genießt sie auf ihrem Lieblingsplatz unter dem Walnussbaum oder auf der Bank im Schatten der Birke. Dort fühlt sie sich unmittelbar mit der Natur verbunden und wartet auf ihre Tierfreunde.

Sobald die Walnüsse reif sind, besuchen Eichhörnchen, teilweise mit ihren Jungen, den Garten. Sie bedienen sich an den Nüssen, versuchen aber auch an das Vogelfutter zu kommen und nutzen die kleine Vogeltränke, bevor sie wieder spielerisch durch die Bäume jagen. Igel gehören genauso zu den Gartenbesuchern, wie der Sperber, der schon einmal einen Kleinvogel schlägt.

Das Jahr 2019, ein ausgesprochenes Mäusejahr, ist Christa noch immer im Gedächtnis. Nahe ihrem Garten nisteten Waldohreulen, die den Walnussbaum als Tagesruhestätte auserkoren hatten. Fünf Eulen waren regelmäßig da, einmal stieg die Zahl sogar auf Elf. Abends bevor sie auf Beutejagd gingen, gab es immer minutenlange Spielzeit im Garten, wo Christa sie in Aktion bewundern konnte. Den Tag über war es wohl eher umgekehrt, die Köpfchen der Vögel drehten sich immer in ihre Richtung und verfolgten jeden Schritt. Der Unterhaltungswert stieg für die Eulen ins Unermessliche, wenn eine Besuchergruppe im Garten unterwegs war. Daran erinnert sich Christa noch heute höchst amüsiert.

Natürlich gab es auch „menschliche“ Erlebnisse im Garten. Die Frühlingsbeete waren derart von verblühten Vergissmeinnichtpflanzen überzogen, dass sie dringend gejätet werden mussten, um eine noch stärkere Aussaat zu verhindern. Die damals 5 Jahre alte Tochter der Nachbarn sah erst zu, holte sich dann eine Decke und einen Eimer und baute sich unter dem Haselnussstrauch eine „Höhle“. Sie verbrachte mindestens eine Woche damit, jeden Nachmittag in ihrem „Gartenhaus“ die Vergissmeinnicht-Reste im Wassereimer zu pflegen.

Weniger amüsant fand Christa die Aktion einer ihr unbekannten Frau. Der Storchschnabel musste eingedämmt werden, also stand ein Schild auf der Straße: „Ableger zu verschenken, Garagentor zum Durchgehen geöffnet“. Eine fremde Frau stand tatsächlich kurz darauf mit ihrem Spaten im Garten und wollte damit beginnen, alles auszugraben, was ihr gefiel.

Christa liebt alle Pflanzen in ihrem Garten, sei es die hohe Trauerbirke, weil sie gut in die Landschaft passt, die Akeleien, weil sie sich nach Lust und Laune aussäen und damit Christas Pläne regelmäßig durchkreuzen, die Päonien, Rosen oder der Blauregen, einfach weil sie bestimmte Monate markieren und schön sind und ganz besonders, wie bei vielen Gärtner*innen die ersten Frühlingsgeophyten, allen voran die Winterlinge, Schneeglöckchen, Märzenbecher und Schachbrettblumen.

Tipps für einen seniorisierten Garten

Wäre Christa gesundheitlich nicht immer mehr eingeschränkt, könnte man ihren Garten so wie er ist, als gut seniorisiertes Areal bezeichnen. Inzwischen ist sie jedoch auf Mithilfe angewiesen. Wer Stauden-Vielfalt in seinem Garten besitzt, der weiß ein Lied davon zu singen, wie schwer es ist, eine wirklich gute Unterstützung zu finden. Nach mehreren Fehlversuchen hat es Christa geschafft und heute kommt einmal im Monat ein junger, pflanzenkundiger Gärtner mit seinem Mitarbeiter, welche die jeweils aktuelle Arbeits-Liste abarbeiten. Die zweite Erleichterung bringt ein kleiner Mähroboter, der seit 2 Jahren den Rasen vormittags, wenn keine Igel unterwegs sind, mäht. Was das Leben und die Arbeit in und mit dem Garten noch weiter erleichtert, dazu hat Christa eine Menge guter Gedanken aus ihrem Erfahrungsschatz für uns zusammengetragen.

Stauden sollten immer nach dem Schema „right plant – right place“ gepflanzt werden und pflegeleicht sein. Schnecken- und trockenheitsresistente Pflanzen erleichtern die Arbeit und bitte nicht vereinzelt pflanzen, sondern lieber klotzen statt kleckern. Auf das Sammeln von Samen und Setzen von Sämlingen verzichtet Christa inzwischen.

Auf neue Gehölze sollte man verzichten. Muss ein Austausch erfolgen, darauf achten, dass sie pflegeleicht sind. Das bedeutet z.B. ein hoher, kranker Obstbaum wird von einem Säulenapfel ersetzt. Wenn es platzmäßig möglich ist, das Totholz einfach für die Millionen Lebewesen, die dort existieren, stehen lassen. Ein immergrüner Kletterer kann das Baumfragment begrünen.

Töpfe und Kübel möglichst abbauen. Leichte Pflanztöpfe bedeuten den Abschied von schönen, aber schweren Tontöpfen. Wer auf Dahlien nicht verzichten will, sollte sie in Töpfen vorziehen (wegen Schnecken) und dann mit dem Topf einpflanzen, zum Überwintern bleiben sie in einem frostfreien Areal im Topf. Das erspart das Ausgraben und man kann am Arbeitstisch sitzend in frische Erde topfen. Wo möglich Bewässerungshilfe, Tonkegel, Wasserflaschen oder Ollas verwenden.  

Mehrere Sitzplätze verkürzen Wege und helfen, um zwischendurch auszuruhen. Hilfsmittel, wie Dekopfähle, um sich bei Bedarf abstützen zu können sind sinnvoll. Mit kleinen Körben versehen, helfen sie beim Unkrautsammeln und erleichtern die Arbeit.

Hochbeete, bevorzugt Schlüssellochbeete, mit automatischer Bewässerung sind gerade für den Gemüseanbau. Generell erleichtern höher gelegte Beete die Bearbeitung und Pflege.

Die Wege gut, auch für Transport- oder Gehhilfen, begehbar machen. Mit Folie und Schredder abgedeckt, entfällt das Jäten von Beikraut und Moos.

Ganz wichtig sind für Christa geeignete Arbeitsgeräte wie: ergonomische Gartengeräte, Sicherheitsleiter, Garten-Kniebank, Knieschoner, Greifzangen, Scheren mit langem Stiel, abknickbar, wenn möglich mit Haltefunktion (Rosenschnitt), scharfe Scheren bedeuten weniger Kraftaufwand  und ein Stehsitz am Pflanztisch erleichtert das Arbeiten. Geräte sollten möglichst leicht sein, farbige Geräte findet man besser wieder. Bei allem pflegeleichte Materialen wählen, die nicht gestrichen werden müssen.

Im vorletzten Sommer war Christa in einem Garten zu Besuch, deren findige Besitzerin mit einem Rollator unterwegs war. Die Beete waren 30 cm hoch, die Wege mit Platten ausgelegt. Sie hatte sich einen zweiten älteren Rollator für den Garten umgestaltet, mit Werkzeugtaschen, mit Ablage für Pflanzen, Gießkanne usw. . So konnte sie weiterhin vieles in ihrem Garten selbst erledigen.

Für viele Tätigkeiten im Garten gibt es Lösungen, die zur vorhandenen Zeit und Kraft des Gärtners passen. Und genau das wollen wir ja anstreben, so lange wie möglich autark zu bleiben und damit unseren Garten doppelt dank regelmäßiger kleiner Erfolgserlebnisse zu genießen. Vielen Dank liebe Christa für die vielen Denkanstöße, die Du im Laufe der Zeit in Deinem charmanten Garten in Leer entwickelt hast.

Sekretariat Deutschland für Het Tuinpad Op / In Nachbars Garten

Das schöne Porträtfoto wurde mir von Christa Welling zur Verfügung gestellt.

Da Christa Welling im Video völlig uneigennützig nicht über ihren Garten, sondern über ihre Tätigkeit für Het Tuinpad Op / In Nachbars Garten berichtet, kopierte ich dieses Video auch in den Beitrag über die praktikable Website, die seit 1984, ausgehend von den Niederlanden, inzwischen zu einem grenzübergreifenden Garten-Qualitätsmerkmal geworden ist. Ich stellte die Stiftung bereits am 7.2.25 in Wurzerlsgarten vor. Vielen Dank lieber Malte Schoon, dass Du so ein professionelles Video mit Christa gemacht hast. Liebe Gartenfreunde, klickt Euch gerne in das Bild und vergesst nicht, vorher den Ton laut zu stellen.

Herzlichen Dank liebe Christa, dass Du uns in Deinem Garten empfangen hast, dass Du der Leserschaft von Wurzerlsgarten so viele praktische Denk-Anstöße gegeben hast, wie sie ihren Garten erfolgreich “seniorisieren” können und, dass Du mir gestattet hast, diesen Beitrag über Dich und Deinen Garten zu veröffentlichen.

Ich bewundere Dich grenzenlos, wie Du nicht nur Dein Leben meisterst, sondern auch noch eine Menge Zeit für die Seite “Het Tuinpad Op / In Nachbars Garten” ehrenamtlich aufbringst. Schön, dass es Menschen wie Dich gibt!


Seniorengarten Christa Welling

Adresse: 26789 Leer, Erikastr. 12

Kontakt: Tel. +49 (0)491 61435 E-Mail: sekretariat@innachbarsgarten.de

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7 Kommentare

  • Erna de Wolff sagt:

    Liebe Renate
    Vielen Dank für deinen schönen Bericht über Christas Garten. Einen Garten so schön von Anfang an zu gestalten mit Pflanzen die schon eine Geschichte haben ist ein Traum. Liebsten Dank Christa für deine Leidenschaft , Engagement und für deine Tipps .
    Tipps

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Erna, der Garten ist der schlagende Beweis dafür, dass ein seniorisierter Garten weiterhin charmant, romantisch und individuell bleiben kann, das zeigen zu dürfen, dafür bin ich Christa sehr dankbar. LG Wurzerl

    • Ursula Weisgerber sagt:

      Ich kann Ihnen nur zustimmen, wunderschön angelegt, und diese Vielfalt ! 🌺

  • Malte sagt:

    Ein Garten in dem ich mich immer besonders wohl fühle – vielleicht ist es auch Christa ihre Ruhe und Gelassenheit, die mich so gerne in ihren Garten zieht.
    Ich freue mich, das ich sie über die Stiftung kennenlernen durfte und bin gerne bei ihr.

    • Das Wurzerl sagt:

      Ein guter Gedanke lieber Malte, ich habe diesen Wohlfühlfaktor auch verspürt und bin Dir sehr dankbar, dass Du mich und Marion mit zu Christa mitgenommen hast. Ein schönes Wochenende für Euch. LG Wurzerl

  • Susanna sagt:

    Ein tolles Engagement und wie schön, dass Frau Welling kompetente Hilfe gefunden hat, sodass sie ihren schönen Garten weiter erhalten und Freude daran haben kann.
    Liebe Grüße
    Susanna

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