Ankommen im Vorgarten Garz in Jever
Ulrike Aljets und ich sind ein gutes Team. Sie findet für mich immer neue interessante Gärten in Ostfriesland. Für die niederländischen Provinzen Groningen und Drenthe ist Erna de Wolff zuständig. So bin ich immer gut versorgt mit individuell bemerkenswerten, schönen Gärten.
Interessante Stauden beleben den Vorgarten der Familie Garz in Jever.
Heute bringt mich Ulrike nach Jever, in die Kreisstadt des Landkreises Friesland. Ich weiß nicht, ob jeder Jeveraner Freibier erhält, aber die gleichnamige Biermarke stammt von hier. Wer kein Biertrinker ist, der bezeichnet Jever vielleicht auch als Marienstadt. Diesen inoffiziellen Beinamen verdankt der Ort dem “Fräulein Maria”, welche die letzte Herrin von Jever war. 1536 erhielt die Stadt unter ihrer Herrschaft, offiziell verbürgt, die Stadtrechte.
Der Durchgangsbereich in den großen hinteren Garten der Familie Garz
Die Fahrt durch die typische Geestlandschaft mit ihren gliedernden Wallhecken führt uns zu einer flachen Geestzunge, die weit in die Marsch hineinreicht. Darin liegt Jever direkt im oldenburgisch-ostfriesischen Geestrücken. Einige Moorbereiche am Stadtrand stehen unter Naturschutz. Dank archäologischer Funde weiß man, dass das jeversche Stadtgebiet sehr früh, etwa in jüngerer Steinzeit, besiedelt worden war. Die in Jever geprägten und am Finnischen Meerbusen und im Wartheland gefundenen Münzen, deuten auf die Bedeutung Jevers als Handelsort hin. Im 10. und 11. Jahrhundert hatte Jever einen Seehafen. Um 1400 gibt es Nachweise zu Handelsbeziehungen zu den Vitalienbrüdern, zu denen auch Klaus Störtebeker gehörte.
Biotop- und Pflanzenvielfalt im großen, hinteren Garten Garz
Es gäbe noch so vieles von der Historie der Stadt zu erzählen, aber Ulrike und ich sind, während ich hier über die Stadtgeschichte plaudere, im hinteren, großen Garten angekommen. Ich will nicht unhöflich gegen das Ehepaar Garz sein, die uns sehr freundlich aufgenommen haben und konzentriere mich nun ganz auf den Garten. Es reicht, dass ich den gekonnt bepflanzten Vorgarten in meiner Beschreibung vernachlässigt habe.
Kaum habe ich den Garten betreten, fallen mir die geschickten Gliederungen der unterschiedlichen Gartenteile auf. Im vorderen Bereich gibt es mehrere Wasser-Biotope. Angefangen von großem Teich zu kleinen Wasserstellen, die dank einem Wasserfall miteinander verbunden sind. Zurückblickend erkenne ich die Hausfront und Terrasse, aber mein Blick bleibt immer an den Pflanzen hängen. Jürgen Garz hat eine Affinität für besondere Gehölze und wenn sie nicht besonders sind, dann verpasst er ihnen mit seinem Wissen über richtigen Schnitt und den optimalen Standort, eine Besonderheit über den Habitus.
Faszinierend finde ich die Vorgehensweise der Platzsuche. Dabei spielt die geografische Herkunft der Pflanzen keine Rolle. Sie müssen zusammen harmonieren und sich einfach in ihrem Habitat wohlfühlen. Das führt zu spannenden oder sehr liebenswerten Kombinationen, selbst von Stauden innerhalb einer Gattung. So zeigt sich die weiß strahlende Primula sieboldii ‘Queen of Whites’, die Siebold-Primel, gut gelaunt neben einem Stück Totholz am Teichufer. Den gelben Sonnenkick liefert die Echte Schlüsselblume, Primula veris, die sich vor einem zart austreibenden hellgrünen Farn an die Siebold-Primel anlehnt.
Die meist kleinbleibend kultivierten Gehölze passen hervorragend zu den verschiedenen Landschafts-Biotopen, die das Ehepaar Garz in ihrem Garten angelegt hat. Auch die vielfältigen Stauden stehen perfekt: “Right Plant – Right Place”! Das ist in einem 1000 qm Sammlergarten, der so viele verschiedene Aspekte zeigt, wie der Garten Garz, unerlässlich, wenn man neben dem Garten noch etwas Zeit für anderes haben möchte.
Dank der unterschiedlichsten Habitate können Gesine und Jürgen Garz ihre Pflanzenschätze authentisch präsentieren. Mich fasziniert alles, aber besonders die Kleingehölze, die ausgepflanzt, wie Bonsais wirken. Ahorn, Rhododendron oder Buche, es wird mit einem soliden Grundwissen erfolgreich experimentiert. So wird aus jeder Fläche eine abwechslungsreich bepflanzte Landschaft.
Frisch austreibender Farn – Epimedium davidii – Dysosma ‘Spotty Dotty’
Viele Gehölze, das bedeutet in einem Sammlergarten, auch viel Platz für schatten- baumscheiben- und trockenheitstolerante Stauden und Bodendecker, die für diese anspruchsvolle, bis ins Kleinste gestaltete Gartenwelt unerlässlich sind.
Auf dem Weg zum hinteren Gartenende finden sich unauffällige Sitzmöglichkeiten. Zum Ausruhen benötige ich sie nicht. Aber, es tut gut, sich ab und an ruhig hinzusetzen und die verschiedenen Landschafts- und Pflanzenbilder auf mich einwirken zu lassen.
Der Garten ist reif und voller Kostbarkeiten. Das ist das Ergebnis, wenn zwei Gartenmenschen anfangen, sich für Stauden und Gehölze zu interessieren. 1969 wurde der Garten ursprünglich angelegt. Der Laubengang, drei kleine Teiche, alter Baumbestand und üppige Bambushorste stammen aus dieser Zeit.
Als Jürgen und Gesine 1996 der GdS, Gesellschaft der Staudenfreunde, beitraten, wandelte sich das Gesicht des Gartens noch einmal grundlegend. Weitere Impulse und Ideen stammen von Gartenreisen nach Großbritannien und in die Niederlande.
In den letzten 20 Jahren kamen bereichernde Biotope, wie die Farnschlucht mit Wasserfall, dem Senkbeet mit einer Blumenwiese, das Moorbeet und viele weitere Details dazu. Farne und Hostas finden sich überall im Garten, sofern das Licht für diese Stauden-Gattungen passt. Sie gehören übrigens zu den besonderen Lieblingen und damit zu den Sammelpflanzen im Garten Garz.
Ramonda nathaliae – Haberlea rhodopensis – der Eulen-Wächter
Haberlea rhodopensis, die Echte Rhodopeglocke, ist die einzige Art dieser Gattung. Ich finde sie in der Farnschlucht, in der auch die Felsenteller, der Gattung Ramonda zugehörig, gut gedeihen. Sie gehören Beide zu den wenigen Gesneriengewächsen, die sich ausgepflanzt in unseren Gärten behaupten können (meistens sind die Gesneriengewächse hierzulande Zimmerpflanzen, wie Usambaraveilchen, Drehfrucht usw.).
Sehr gefällig ist das Spiel mit Blattfarben und -formen, bei Gehölzen und Stauden gestaltet. Die Damentulpe, Tulipa clusiana, wagt es gar nicht, sich Rouge aufzulegen, um zur Sorte ‘Lipstick’ zu werden, um die Farbharmonien und Blattstrukturen nicht zu stören.
Immer wieder tauchen wie zufällig Eulen aus Sandstein oder Holz auf. Diese hier teilt die Faszination des frischen Farnaustriebes mit den Gartenbesitzern und mir. Aus allen Ritzen quellen Stauden heraus. Um jeden Zentimeter Platz wird gefeilscht und natürlich immer wieder eine neue Blattkomposition geschaffen, wie beim Trillium, das die mit dem Farnaustrieb bronzenen gleichfarbigen Blüten jetzt zeigt, um später den hohen Farnwedeln eine betonende Blattstruktur auf unterer Ebene zu schenken.
Für die Hepatica ist eine eigene Beet-Ecke reserviert. Sie sind gerade verblüht, als mein Besuch stattfindet. Dafür ist die Zeit für viele Alpinpflanzen, wie Soldanella alpina perfekt. Und immer wieder faszinieren mich die Neuaustriebe der Farne im Farn-Gang durch ihren bereits im Frühstadium vorhandenen dominanten Charakter.
Für einen Moment denke ich, hoppala, bin ich mit den Fotos durcheinandergekommen? Das ist doch mein Almenrausch, Rhododendron hirsutum, meine Einbeere, Paris quadrifolia und meine frühe Päonie? Aber nein, natürlich gehören auch diese Pflanzen zum Bestand des Gartens von Jürgen und Gesine Garz.
Ich bin auf dem Rückweg zur Terrasse, diesmal auf der anderen Seite, die völlig konträr wirkt. An einer roten Klinkermauer versucht sich Efeu, in Konkurrenz zu diversen Kletterpflanzen an den Säulen der Holzpergola, als Himmelsstürmer zu beweisen. In Terrassennähe schützt ein Regal kleinere Hostasorten vor Schneckenbesuch und wenn ich mich der Gartenmitte zuwende, dann blicke ich auf eine flache Blumenwiese, die einen spannenden Kontrast zum ansonsten sehr bewegt gestalteten, teilweise erhöhten Garten bildet.
Ulrike unterstützt mich wieder mit dem Dreh eines kleinen Videos. Aber Gesine und Jürgen haben für so einen modischen Schnickschnack gar keinen Sinn und erzählen sich lieber, was sie schon wieder Neues im Garten entdeckt haben. Klickt gerne auf das Bild und erlebt die Beiden in ihrer Begeisterung für ihren Garten.
Liebe Gesine und Jürgen, ich danke Euch ganz herzlich, dass ich Euch in Eurem spannenden und trotzdem so harmonisch stimmigen Garten besuchen und diesen Beitrag für Wurzerlsgarten machen durfte.
Sammlergarten Gesine und Jürgen Garz
Adresse: PLZ 26441 Jever, Trakehnerstr. 4
Kontakt: Tel. 04461/5905 E-Mail: juergengarz@web.de
Website: www.garz-garten.de
5 Kommentare
Was für ein spannender, mit Leidenschaft gestalteter Garten, liebe Renate. Da kann man sicher stundenlang schauen und immer wieder neue Kostbarkeiten entdecken. Die Farnschlucht begeistert mich besonders!
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
Susanna
Ja liebe Susanna, ich bin auch total von ihr begeistert. Wünsche Dir auch ein schönes Wochenende. LG Wurzerl
Diese schmalen Wege durch die Beete, die als solche eigentlich falsch bezeichnet sind… es scheint mir eher ein Pfad durch einen Zauberwald zu sein. Einfach wunderschön
Wenn Beete wie wunderschöne kostbare kleine Biotope und Landschaften angelegt sind, dann ist das verzaubernd liebe Barbara. LG Wurzerl
Hallo Renate,
das wirkt mit den Raritäten und Wasserlandschaften schon wie ein botanischer Garten.
Viele Grüße
Elke