Ankommen im Eingangsgarten
Das ist in diesem Fall kein Problem, Susanne Kneidl ist nämlich im Raum Ebersberg meine Kollegin für Naturgarten-Zertifizierungen im Landkreis und wohnt wie ich in demselben. Das oberbayerische Steinhöring ist einer der ältesten Orte im Landkreis. Erste Spuren menschlicher Besiedlung finden sich schon aus der jüngeren Steinzeit, dem Neolithikum. So wurde ein Steinbeil, auch als Lochaxt bezeichnet, aus Grünstein gefertigt, gefunden, das auf die Zeit 2000 bis 1800 vor Christus datiert ist.
Mit der Steinzeit hat Susanne Kneidl tatsächlich nichts mehr am Hut, aber den Fragen der Gegenwart gegenüber ist sie mehr als aufgeschlossen. Ich kenne wenige Gärten, die so viel über die Gärtner*innen verraten, wie derjenige von Susanne. Nur wenige mir bekannte Gärten schaffen den Spagat zwischen Naturschutz und ästhetischer Ausstrahlung, so perfekt wie dieser. Betritt man dieses naturzertifizierte Areal, so wird man erst einmal von Miscanthus sinensis ‘Gracillimus’, der den Eingang flankiert, mit leichtem Streicheln willkommen geheißen. In der Bavaria-Ecke gibt es eine bayerische Brotzeit, auf Wunsch Blasmusik, für letzteres ist allerdings der Hausherr zuständig.
Bergenia ‘Oeschberg’ – Wintergarten – Agastache ‘Blue Adder’
Als Familie Kneidl 1985 Haus und Garten übernahm, bot sich ihnen ein ziemlich vernachlässigter Anblick. Natürlich galten die ersten Aktivitäten dem Wohnhaus und der Garten wurde mit Schaukel und Sandkasten bestückt, zum Familien-Spiel-Garten. Irgendwann hatten Schaukel und Sandkasten ausgedient und Susanne begann mit ihrem Mann in Eigenregie die 780 qm Garten nach ihrem Gusto weiterzuentwickeln.
Echinops ‘Veitchs Blue’ – Trachycarpus fortunei, Hanfpalme, Thuja occidentalis ‘Smaragd’ – Rudbeckia hirta
Interessant ist die klare Vorstellung, die Susanne gartentechnisch schon als Kind in sich trug. Sie hatte schon im elterlichen Rasen geholfen, unerwünschte Beikräuter auszustechen. Die Herrenhäuser Gärten in Hannover mit dem riesigen Schlossgarten, seinen makellosen Rasenflächen in ästhetisch angelegte schmale Broderie-Beete eingebettet, den dahinter untergebrachten unterschiedlichen Gartenzimmern, die im Sichtschutz von Hecken verschiedene Gartenstile präsentieren, prägten ihre Vorstellung von Garten genauso, wie der gegenüberliegende Berggarten, der ursprünglich als Nutzgarten für die Schlossbewohner diente, aber seit langem zu einem der bedeutendsten deutschen Schaugärten mit circa 12000 Pflanzenarten umgestaltet wurde. Dem Naturschutz, der Biodiversität und der ansprechenden Natürlichkeit dieses Teils der Herrenhäuser Gärten konnte Susanne genauso viel Sympathie entgegenbringen, wie dem Großen Barock-Garten gegenüber. Die ‘kitchen-gardens’, Küchengärten, Großbritanniens, die dort oft ein Highlight zwischen anderen Gartenräumen darstellen, vervollständigten die Wunsch-Liste von Susanne, ihren eigenen Garten betreffend. Aus diesen unterschiedlichen Puzzlesteinen heraus, entwickelte sich Susannes eigener Garten!
Vom Bavaria-Eck kann man einfach das Zaun-Beet entlanglaufen. Vielfältige Gehölze mit passender Unterpflanzung, immer wieder aufgewertet mit Wasserstellen, Totholzhaufen oder Steinansammlungen, gipfelt an der hinteren Gartenecke in eine rätselhafte Holzkonstruktion. Im zeitigen Frühling sieht man am deutlichsten, worum es sich dabei handelt. Es ist ein exakt aufgeschichteter “Ster Holz”, Ster ist das gebräuchlichste Raummaß für Brennholz, für einen Kubikmeter (1 m³) aufgeschichteter Holzscheite. Durch das bepflanzte “Flachdach” und dem seitlichen Buschknöterich, Aconogonon alpinum ‘Johanniswolke’, sowie dem kletternden Efeu gegenüber, merkt man gar nicht, dass diese wertvolle Tierbehausung als Demonstrationsobjekt nach der Frage in der Schule: “Was ist ein Ster?” entstanden ist. Im Frühling, wenn sich noch nicht so viele Pflanzen rundherum entwickelt haben, strahlt Erythronium ‘Pagoda’, die gelbblühende Forellenlilie, das aufwendige Tierhotel an.
Sphaeralcea incana, Wüstenmalve – Echium vulgare, gewöhnlicher Natternkopf und Echium russicum, Russischer Natternkopf – Echinacea pallida, Oenothera lindheimeri ‘Summer Breeze’
Der Eingangsgarten, in dem wir uns noch befinden, ist ein großes Rechteck, dem sich quer an der Hausrückseite ein Wassergarten anschließt, um in einem längeren Rechteck auf der anderen Hausseite mit dem Genussgarten zu enden. Das Haus wird praktisch auf drei Seiten vom Garten eingerahmt. Das führt zu jeder Menge Ecken und Kanten, die Susanne aber mit ihrer genialen, gut gestaffelten Bepflanzung und halbrunden oder runden Gestaltungs-Tricks aufgeweicht hat. Dazu gehören in erster Linie der englische Rasen, der mit weichen Linien durch den Garten mäandert, der natürlich anmutende Teich, weit entfernt von einem formalen Becken und Susannes letzte Kreation im Garten, das rund gestaltete Kiesbeet.
Das Rundbeet fügt sich in sonniger Lage wunderbar in Susannes Garten ein. Um es optisch aufzuwerten, ist eine Hälfte des Randes mit flachen Geschiebesteinen nierenförmig angelegt und mit Kies erhöht worden, was besondere Versteckmöglichkeiten auch für Amphibien und Eidechsen schafft. So ein spezielles Habitat ermöglicht auch eine besondere Bepflanzung und das Experiment ist innerhalb kürzester Zeit nicht nur gelungen, sondern wirkt so, als wäre es schon immer hier gewesen.
Delosperma cooperi, Mittagsblume – Euphorbia segueriana ssp. niciciana, Wolfsmilch – Caryopteris x clandonensis ‘Heavenly Blue’ und Erigeron karvinskianus ‘Blütenmeer’
Unterwegs im Wassergarten
Dabei war ich mehr als baff, als ich diese Neugestaltung das erste Mal bewundern durfte. Hier war eigentlich ein großes Stück des “heiligen englischen Rasens”, oder soll ich besser schreiben, des Rasenteppichs vom Schlossgarten Herrenhausen? Susanne liebt ihn, sie braucht ihn und es ist tatsächlich eine Sisyphusarbeit für sie, ihn im naturgartenzertifizierten Areal unkrautfrei zu halten. Was in ihren wilden Ecken gefördert wird, das darf im Rasen absolut nicht sein. Übrigens gibt es diesen supergepflegten, kurzgehaltenen Rasen auch auf der anderen Seite, was der Ausgewogenheit und Harmonie der Anlage sehr guttut. Als ich Susanne frage, ob es Sinn macht, die meiste Gartenarbeit damit zu verbringen, diesen Rasen so akribisch zu pflegen, nickt sie nachdrücklich. Aber sie ergänzt: “Bei einer Neuanlage des Gartens würde ich den Kiesgarten wegen des Klimawandels wesentlich vergrößern und die Gartenfläche mehr modellieren – mit Höhen und Tiefen arbeiten. Dadurch würde sich die Rasenfläche erheblich verkleinern.”
Ich bin wieder am “1-Ster-Tierhotel” angekommen und möchte jetzt quer durch den Wasser-Garten laufen. Ein Holzbank-Ensemble in U-Form mit einer runden, flachen Trinkstelle für Vögel und Insekten, sowie einem bemoosten Steinturm an der Ecke liegt vor mir. Drei Thuja occidentalis ‘Smaragd’, die jährlich, nach der Nestkontrolle Ende Juni auf schlank getrimmt werden, versperren quer angeordnet das Weitergehen und geben der Sitzgruppe einen heimeligen Anstrich. Farne, kriechende Bodendecker und Bergenien umspielen in helleren Grüntönen die streng akkuraten dunkelgrünen Thuja-Säulen. Nur das zarte Violett der Linaria purpurea bringt über Monate einen leisen Zwischenton in diese sehr intim wirkende Szenerie. Der Rasen spiegelt sich zur jeweiligen Tageszeit und Wetterlage in vielen Grün-Facetten. Mal wirkt er frühlingsgrün, ein andermal sattgrün oder blaugrün. Vor den Thujen kommt der Rasen besonders gut zur Geltung, er nutzt ihn als ruhigen Hintergrund. Susanne schätzt zwar unterschiedliche Garten-Räume, aber sie mag keine Mauern und auch keine durchgehenden, blickdichten Hecken. Sie schätzt die Möglichkeiten, weiter sehen zu können – ich nenne es “vorausschauen”.
Hinter dem “Thujen-Paravent” ist viel Raum für den Teich, der eine bis zu 1 m hohe Uferbepflanzung hat. Vorsichtig betrete ich die Holzplanken, damit ich die Wasserbewohner nicht störe. Leider ist die Verehrerin der wunderschönen Seerose, eine Ringelnatter, heute nicht zum Posieren für ein Foto bereit. Wenn sie sich zeigt, ist das Erstaunen bei den Besuchern groß. Susannes Grundstück ist immerhin mitten im Ort, nicht weit vom Rathaus und der Kirche entfernt. Die Natur würdigt offenbar ihre Bemühungen.
Sanguisorba tenuifolia ‘Albiflora’, Weißer Wiesenknopf – Teich im Frühling – Persicaria amplexicaulis ‘Album’, Kerzenknöterich
Susanne hat nicht nur für ihren makellosen Rasen eine Schwäche. Sie liebt Gräser überhaupt sehr und integriert sie überall, wo sie passen. Wenn ich wieder an die Gartenecken und Hausecken denke, dann sind auch diese filigranen Gräser-Stauden ein gutes Mittel, um harte Linien völlig aufzuweichen. Ihre bewährten Lieblingsgräser, die sie gerne weiterempfiehlt, sind: Festuca mairei, Stipa gigantea, Stipa tenuissima, Carex pendula, Carex ‘The Beatles’, Sporobulus heterolepsis, Briza media, Panicum virgatum ‘Heavy Metal’, Pennisetum ‘Hameln’ und Miscanthus sinensis (die beiden letzteren Arten, je nach Höhenbedarf auch in mehreren Sorten).
Auch viele andere Stauden sind filigran und oft hoch, wie der Wiesenknopf, der Kerzenknöterich, das Leinkraut, Astern und Sonnenaugen. Die Pflanzenauswahl von sehr natürlich wirkenden Stauden, oft in ihren Wildformen ausgewählt, prägt diesen Garten sehr und verleiht ihm eine ungemeine Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Rosen, Buchs, oder Hortensien kamen für Susanne und ihren Mann nie infrage.
Im Genussgarten
Ich spaziere jetzt mit Euch aus dem Wassergarten heraus und wir kommen in den Genussgarten hinein. Ihr seht hier drei Fotos, die Euch zeigen, wie man im Sinne von Beth Chatto: “die passenden Stauden an den richtigen Platz pflanzt”. Wofür ist das wichtig? Es minimiert ganz einfach die Arbeit in den Beeten.
1. Bild: Persicaria amplexicaulis ‘Album’, Kerzenknöterich und Pennisetum alopecuroides ‘Hameln’, Lampenputzergras, Stauden in der Sonne
2. Bild: Cortia wallichiana, Himalaya-Silge, und Solidago x cultorum ‘Loysder Crown’, Goldrute, im lichten Halbschatten
3. Bild: Heuchera villosa var. macrorrhiza, Purpurglöckchen, Asplenium scolopendrium, Hirschzungenfarn und Cymbalaria muralis, Zimbelkraut, im Schatten
Für Familie Kneidl ist der Naturschutz eine Selbstverständlichkeit, sollte aber, obwohl er eine Hauptrolle im Garten einnimmt, visuell im Hintergrund des Gartens stattfinden. Ein ästhetischer, dabei natürlich bodenständiger Gesamteindruck ist den Beiden wichtig. Darum sind die Sitzplätze unter dem Apfelbaum, im Bavaria-Eck des Eingangsgartens, der Holzbankgruppe vor den drei Thuja-Säulen und die Terrasse an der Weinpergola, wie weitere Sitzmöglichkeiten vorwiegend aus natürlichen Materialien, hauptsächlich Holz gefertigt und mit Grün umrahmt. Das ist gelebter Naturschutz in denkbar gemütlichster Atmosphäre.
Penstemon fruticosus ‘Catherine de la Mere’ – Zinnia Hybride – Betonica (Syn. Stachys) officinalis ‘Summer Snowcone’
Der Arbeitsaufwand wechselt stark im Jahreslauf. Während der Rasen fast ganzjährig Susannes Aufmerksamkeit erfordert und sie sich um das Gleichgewicht in den Staudenbeeten kümmert, befasst sich ihr Mann hauptsächlich mit der Pflege der ca. 30 Sträucher, dem Heckenschnitt und dem “in Form bringen” der 5 Formgehölze (teilweise 3.50 m hoch) im Garten. Das findet eher periodisch statt, damit die Vögel beim Nisten und der Jungen-Aufzucht nicht gestört werden. Spannend ist für Fam. Kneidl immer der Spätherbst, wenn sie nach dem Laubabfall, die verlassenen Vogel-Nester erkennen können. Durch die Totholzhaufen, das Aufschichten von Laub und Gras als Mulch unter den Gehölzen und den offenen Zugangsmöglichkeiten zum Grundstück, sind für Igel keine weiteren Schutz-Maßnahmen notwendig.
Unnötige Arbeiten lassen sich durch eine geschickte Wegeleitung, die händelbare Arbeitstiefe der Beete, und Werkzeug in guter Qualität und leichter Erreichbarkeit, ersparen. Susanne und Karl haben ihren Arbeits-Aufwand so minimiert, dass ihnen auch noch Zeit für einen aufwendigen Gemüsegarten bleibt. Da sich die Gartenarbeit insgesamt durch Zwei teilt, wird sie mit Freude gemacht, dadurch sehen sie die Beiden auch nicht als Arbeit, sondern als Lebensbereicherung an.
Der Spaß, den Beide bei ihrem gemeinsamen Garteln haben, ist leicht nachzuvollziehen. Susanne Kneidl hat sich, wie man an einer Inschrift, die am Gartenhäuschen hängt, gut sehen kann, sehr von Karl Foerster inspirieren lassen. Ihr Gatte, der auch Karl mit Vornamen heißt, stellt dann schon öfter mal fest: “Du liebst Karl Foerster mehr als mich!”.
Susanne dagegen, stellt mit ihrem trockenen Humor, wenn sie nach 6 – 7 Stunden Gartenarbeit ins Haus zurückkehrt, lapidar fest: “Wir sind auf dem Weg zum pflegeleichten Garten!”.
Naturzertifizierter Garten Susanne und Karl Kneidl
Adresse: PLZ 85643 Steinhöring, Berger Str. 11
Kontakt: Mailadr.: susanne.kneidl@googlemail.com Tel.: 08094/8432
Das Video von Susanne Kneidl handelt von ihrer Kreativität mit Getränkedosen, aus denen sie nicht nur einzelne Dosensterne herstellt, sondern von Lampen über Insektenhotels bis zu Schwimm-Sternen alles möglich ist. Macht bitte Euren Ton laut, klickt auf das Bild und schaut, was Susanne zu Zeigen und zum Erzählen hat:
Website zur Dosensternmanufaktur: www.dosensterne.de
6 Kommentare
ich bin begeistert,sehr schön Gestaltet,mit Blickachsen in alle Richtungen,ich möchte noch etwas wissen überden Boden Typ u.struktur,
Unser Gartenboden ist sehr wasserdurchlässig.Wir haben nur ca. 20 cm
Humus – dann kommt gleich der Kies.Gedüngt wird nur mit Kompost – es wird mit verschiedenen Materialien gemulcht.Blanke Erde sollte möglichst nicht zu sehen sein. Gerne beantworte ich weitere Fragen.Viele Grüße Susanne
Guten Morgen
Ich bin begeistert von solch einer Garten-Natur-Liebe . Da möchte nur rufen bitte weiter so und seid ein Vorbild für viele Menschen. Wunderschön. Danke liebe Renate
liebe Renate
ein Garten ganz nach meinem Geschmack.Wunderschön … Dankeschön ❤️ für die Vorstellung..
Hallo Renate,
da hast du nicht zuviel versprochen, da gibt es sehr viel Natur, gleichzeitig aber in einem schönen Ambiente aus Formschnittgehölzen und anderen kunstvollen Dingen.
VG
Elke
Da soll noch mal jemand sagen, naturnahe Gärten sehen ungepflegt aus! Das Kiesbeet gefällt mir sehr, aber auch die schattigen Ecken, die wie natürlich gewachsen wirken. Durch die geschickte Aufteilung erscheint der Garten viel größer als 750 qm.
LG Susanna