Ankommen in Mottisfont Abbey
Meist reise ich autark und mache von der Planung bis zum fertigen Website Beitrag alles selbst. Es gibt aber immer die berühmte Ausnahme und die heißt im heutigen Fall: “Linksverkehr in Großbritannien”. Davor habe ich immer zurückgeschreckt. “Lieber 5 x mit dem Auto ans Nordkap als einmal nach England”, war schon immer meine Devise. Mit Gleichgesinnten im Bus vor sich hinzudösen, oder die Parklandschaft von Hampshire zu betrachten, während wir nach Mottisfont Abbey, einem historischen Priorat und Landgut, unterwegs sind, das hat schon was. Das Anwesen liegt geschützt im Tal des River Test und wird heute vom National Trust betrieben.
Während die Landschaft von Hampshire visuell an mir vorüberzieht, eruiere ich, warum unsere britischen Nachbarn verkehrsmäßig anders ticken. Schuld an dieser “linken Masche” sind die Kutscher, Ritter und vor allem, die Pferde! Im Mittelalter gab es keine Atombomben, sondern das ritterliche Schwert. Es wurde auf der linken Seite getragen, dadurch die Pferde auch von links bestiegen. Kutschenpferde wurden nicht, wie auf dem Festland nebeneinander eingespannt, sondern hintereinander. Darum musste der Kutscher auf der rechten Seite sitzen, weil die Zügel mit der linken Hand gelenkt wurden. Als das Industrie-Zeitalter anbrach, sortierten sich die ersten wenigen und folgenden Millionen Fahrzeuge dann eben auch links ein. Einziger Unterschied zum Mittelalter war die Anzahl der Pferde-“Stärken”, die rasant angewachsen war, der Zügel, pardon, das Steuer, blieb jedoch rechts.
Inzwischen sind wir in Mottisfont angekommen. Über die Brücke des “River Test”, einem typischen Kreidebach, gehen wir noch gemeinsam. Dann schwärmen wir aus, es gibt so viele Möglichkeiten diesen großen Park zu entdecken. Ich bleibe fasziniert auf der Brücke des Kreidebachs stehen. Im glasklaren, sauberen, von Kreide gefilterten Wasser, sehe ich einige Lachse, Forellen und Äschen im Bach. Kreidebäche werden von einem Grundwasserleiter gespeist und sind darum kaum von Niederschlägen abhängig. So ändert sich auch die Wassertiefe selten. Ein Spaziergang, das beschattete Ufer entlang, wäre verlockend. Aber ich begebe mich direkt zum Herrenhaus, entdecke dort die ersten Rosen und betrachte, zusammen mit Gerlinde Halwax, den Parterre-Garten von der Balustrade aus. Er markiert den Standort des ursprünglichen Priorats.
Das Haus selbst hätte sicher auch einen Besuch verdient. Nachdem Heinrich VIII. die ‘Priory’ 1536 aufgelöst hatte, erhielt Lord Sandys das Anwesen. Das Kloster wurde zu einem Tudor-Herrenhaus umgebaut. Unter mehreren neuen Besitzern gab es weitere Umbaumaßnahmen. Im heutigen georgianischen Backsteinbau kann man kaum mehr Spuren der mittelalterlichen Bausubstanz erkennen. Es sei denn, man begibt sich in den Keller! Höhepunkt einer Hausbesichtigung ist sicher der Besuch des Whistler-Saales, den Rex Whistler 1938/39 mit Trompe-l’œil-Malereien ausgeschmückt hat.
Ich bin inzwischen am Eingang des ehemaligen Küchengartens angekommen. Das reizende Gärtner-Häuschen, das hier steht, fasziniert mich immer wieder (ehrlich? Mehr als das Herrenhaus!). Nachdem ich die einsehbaren Schmalteile intensiv durchfotografiert habe, laufe ich die längere Seitenfront entlang, bis sich die Mauern öffnen und den Blick in den vorderen Teil des windgeschützten Rosengartens, der auch ‘Walled Garden’, also Mauergarten genannt wird, freigibt.
Unterwegs im ummauerten Rosengarten
Während ich den ersten Gartenteil betrete, fällt mir ein, dass ich eigentlich einen Abstecher zum natürlichen kleinen Teich, der von einer Quelle seit mehr als tausend Jahren gespeist wird und der der Abtei ihren Namen gab, machen wollte. Aber jetzt bin ich da und ich bleibe und nütze die volle Zeit, die mir bleibt, für den Rosengarten.
Paeonia peregrina ‘Fire King’ – Ringeltaube – Rosa x harisonii
Er ist so weitläufig, dass ich nur auf den Plänen erkennen kann, dass die drei Teile dieses Gartens die Form eines Kahns bilden. Ich betrete den Kahn quasi von hinten und bin im ersten von drei ummauerten Gärten. Die Form ist fast rechteckig, quer angelegt und hier gibt es für die Besucher Aufenthaltsmöglichkeiten, mit Blick auf erste Rosen-Highlights an der Mauer. Es ist gerade die Päonien-Zeit, auch sie wird als Solistin präsentiert und erste Rosenbegleitpflanzen zeigen sich.
Ich durchquere einen kleinen Arbeitsgang und erhasche schon vor dem Durchgang zum zweiten Garten einen Blick auf das kreisrunde Wasserbecken, das sich im Zentrum des zweiten Gartenteils befindet. Dieser Bereich ist ein längliches, verkürztes Rechteck, das durch die vier Buchsbaum-Karrees mit den umlaufenden symmetrischen Wegen und dem Brunnen im zentralen Herz des Rosengartens, schon eher einen quadratischen Eindruck vermittelt.
Um die “Kahnform” fertig zu erklären, erwähne ich gleich noch den hinteren Gartenteil, der ein Dreieck darstellt und ganz vorne in einer (Kahn)-Spitze endet. Aber bis dahin haben wir noch eine Menge zu sehen und zu entdecken. Ich erwähnte gerade die Buchsbaum-Einfassungen im streng formalen mittleren Gartenteil. Ich sah sie noch bei meinem ersten Besuch, aber sie sind allesamt verschwunden und Teil der Garten-Geschichte geworden.
Ich finde es bemerkenswert und richtig, dass sich der National Trust entschlossen hat, die Buchseinfassungen nicht zu restaurieren. Noch interessanter finde ich, dass der NT auch keine Ersatzpflanze, z.B. Eibe, durchgehend als Ersatz gewählt hat. Nein, es gibt einfach eine noch ideenreichere Fortführung der Begleitpflanzen zu den Rosen, die sich bis in die Wege hineinschmuggeln, oder farblich und von der Höhenstaffelung her eine Ergänzung zum Gesamtbild bieten. Wo Ruhe gefragt ist, wird durchaus wieder mit niedrigen Hecken gearbeitet, aber es handelt sich dabei um Lavendel und andere Stauden und Halbsträucher, oft mit silbergrauen Blättern, die alles andere als statisch wirken.
Geranium x riversleaianum ‘Russel Prichard’ – Iris barbata Hybride – Aquilegia caerulea ‘Earlybird Red Yellow’
Die optische Wirkung ist so viel natürlicher und aufgelockerter und lädt die Besucher ein, die kurz gehaltenen Rasenflächen der vier Karrees zu betreten und sich dort niederzulassen. Mir gefällt die Neupflanzung ohne die strenge, kniehohe Buchseinfassung sehr gut. Historische Rosen brauchen keine einengende Staffage.
Ich stehe, egal in welchem Teil des ehemaligen Küchengartens, immer mitten in einem Blütenmeer, das trotz der Windstille innerhalb der alten Klostermauern, durch die perfekt geplante Pflanzung, sehr bewegt wirkt. Mit den Begleitpflanzen wird geklotzt, nicht gekleckert, das wirkt großzügig auf den großen Flächen und schafft Harmonie zwischen den Rosen und ihrem Hofstaat. Gladiole, Bartiris, Storchschnabel, Fingerhut, Clematis, Glockenblume, Nelken, Jakobsleiter, Purpur-Leinkraut, Akelei, Päonien, Lavendel und vieles mehr, blühen mit der Rosenkönigin um die Wette.
Rosa nitida, Glanzrose – Rosa ‘Penelope’ – Rosa ‘Souvenir de Mme Auguste Charles’
Es fällt deutlich auf, dass die Begleitpflanzen gleichzeitig mit den historischen Rosen blühen. Das bedeutet, der Rosengarten bietet einen Blühhöhepunkt von Mai – Juli. Die historischen Rosen blühen nämlich nur einmal im Jahr, was auch der Grund sein dürfte, dass sie zwischenzeitlich von Rosenliebhabern und Züchtern sehr vernachlässigt wurden. Was für ein genialer Schachzug ist es in der Tat, genau jetzt alles in die Waagschale zu werfen, was die einmalblühenden Rosen noch schöner in Szene setzt. Es ist wie ein Paukenschlag, wenn man den Garten betritt, sofort den vielfachen Rosenduft in die Nase bekommt, von einer wunderschönen Farbharmonie umschmeichelt wird, der Verstand in den lächelnden Entspannungsmodus zurückfährt und die Seele aufblüht. Ach, könnte man diesen Augenblick doch für immer im Herzen bewahren.
Dieses Blütenfest kennt nur den Augenblick – das hier und jetzt – und ehrlich gesagt, ist das gut so. Jede Kompromisslösung wäre halbherzig und würde dem Rosenthema nicht gerecht werden. Auch wenn die Blüte sich nur auf etwas mehr als zwei Monate beschränkt, hat die Anlage den Besuchern doch genug zu bieten, um auch den Rest des Jahres, einen interessanten Aufenthalt zu erleben. Die Freunde der historischen Rosen haben auf jeden Fall in Mottisfont Abbey ihr persönliches Mekka gefunden.
Der National Trust und der Wandel des Küchengartens in einen Rosengarten
Aber wie wurde denn nun aus einem klösterlichen Küchengarten dieses wunderbare Rosenrefugium, das die Nationale Pflanzensammlung alter Rosenarten und Rosensorten aus dem 19. Jahrhundert beherbergt? Im Jahre 1957 schenkte Maud Russell, die letzte Besitzerin von Mottisfont, das Haus, mitsamt dem weitläufigen Areal dem National Trust. Bis 1972 lebte sie noch dort. Derek Hill, ein Porträtmaler, den eine lange Freundschaft mit Maud verband, schenkte dem NT einige seiner Porträts und gesammelte Landschaftsmalerei seiner Zeitgenossen. Die umfangreiche Sammlung aus dem frühen 20. Jahrhundert wird in Mottisfont ausgestellt, dazu gesellt sich ein Programm an Wechsel-Ausstellungen.
Damit hatte der NT ein attraktives Jahresprogramm für das Herrenhaus. Es fehlte aber noch ein Highlight im großen Landschaftsgarten, der sich mit dem ummauerten Gartenbereich für eine große Veränderung empfahl. Bereits kurz nach der Übernahme verpflichtete der National Trust den bekannten Rosenzüchter Stuart Graham Thomas, den Viele von uns nur noch als Namensgeber einer wunderschönen gelben Rose kennen, hier eine Sammlung alter Rosen anzulegen. Das Ergebnis ist die bedeutendste und größte Sammlung historischer Rosen, weltweit!
Mein Besuch findet relativ früh im Jahr statt, er gilt ja eigentlich den exotischen Gärten von Cornwall. Umso größer war meine Freude, dass ich ‘Mottisfont Abbey’ wiedersehen würde. Die Rosenblüte steht noch im ersten Drittel, aber das tut meiner Begeisterung keinen Abbruch, noch mehr Blüten, noch mehr Duft, allein der Gedanke daran macht mich schwindlig.
Der ehemalige Küchengarten ist von seinem Grundriss her unverändert, nur die Bewohner sind nicht mehr die gleichen. Die Nationale Sammlung der Historischen Rosen umfasst Arten und Sorten aus der Zeit vor 1900. Im Frühsommer erreichen sie ihren Blühhöhepunkt. Da sie nicht remontieren, handelt es dabei um Rosen, die einmal im Jahr blühen. Von Alba-Rosen, Bourbon-Rosen, China-Rosen, Damaszener-Rosen, Gallica-Rosen, Moos-Rosen bis zu den Zentifolien finden sich hier Arten und Sorten in einer Aufpflanzung von über 500 Exemplaren, wie Mottisfont auf seiner Website schreibt.
Da in meinem Dumont Gartenreiseführer, den ich im Jahr 2000 gekauft habe, noch von über 300 verschiedenen Rosen die Rede ist, denke ich, dass die Sammlung immer noch weiter aufgebaut wird. Auf jeden Fall ist hier der passende Ort für die Aufpflanzung der Historischen Rosen der Nationalen Sammlung.
Der Frühling 2025 ist ungewöhnlich warm, darum kann es durchaus sein, dass die Rosen in diesem Jahr bereits seit Anfang Mai blühen und nur bis Ende Juni ihre Blüten zeigen. Nicht nur in Großbritannien hat sich der Frühling in den letzten 25 Jahren um etwa 9 Tage vorverlegt. Wir kennen das ja auch aus unseren Gärten. Diese früher einsetzende Blüte der Rosen lässt mich die Bitte aussprechen, wenn Ihr Mottisfont besuchen und die Blüte der Historischen Rosen erleben wollt, wartet nicht zu lange. Es könnte zu spät sein. Vielleicht ist es besser, gleich für 2026 in Ruhe einen Besuch zu planen und im beginnenden Frühling Mottisfont zu kontaktieren, von wann bis wann die Blüte stattfinden wird, damit Ihr genau das Erfolgserlebnis habt, das ich erleben durfte.
Mottisfont Abbey, NT
Adresse: Mottisfont Ln., nr Romsey, SO51 OLP, Hampshire
Kontakt: Tel. 00441794340757
Website: https://www.nationaltrust.org.uk/visit/hampshire/mottisfont/the-garden-at-mottisfont

8 Kommentare
Liebe Renate,
herzlichen Dank für deine charmante wie informative Gartenbeschreibung mit herrlichen Fotos. Es ist wie ein Zurückkommen in diesen schönsten Rosengarten, den ich je erlebt habe. Vor allem die von dir gewürdigte hervorragende Begleitpflanzung macht in so lebendig und “lässt die Seele aufblühen”. Besonders die 2 m hohen, weissen Digitalis, die die Farben harmonisieren und mehr Vertikale in das grosse Areal bringen, haben mich sehr beeindruckt.
Viele Grüße und eine gute Zeit! Monika
Du hast völlig recht, die weißen hohen Digitaliskerzen haben eine wichtige Gestaltungsaufgabe. Es war etwas nachlässig von mir, sie mit den vielen Begleitpflanzen in einen Topf zu werfen. Danke für den Denkanstoß liebe Monika.
Dankeschön für die virtuelle Mitnahme zu diesem schönen Garten!
Eine Frage: Sind die Buchsbäume wegen des Zünslers entfernt worden?
Liebe Angela, die Antwort auf diese Frage hat mich auch interessiert, aber ich habe keine Hinweise gefunden, ob es der Pilz oder der Zünsler ist. Denkbar ist bei der Größe der Anlage beides. LG Wurzerl
Was für eine schöne kleine Reise nach Großbritannien und ich freue mich, dass Du mich daran teilhaben lässt. Mit Deinem schönen Bericht und den Bildern ist man so nah dran, dass man fast glaubt mit Dir durch den Garten gewandelt zu sein. Vielen Dank für’s Mitnehmen.
Liebe Grüße von Sven.
Sehr gerne lieber Sven, wünsche Dir eine schöne Restwoche. LG Wurzerl
Vielen lieben Dank für diesen schönen Bericht. Man kann es sich gut vorstellen, mit auf dieser Reise gewesen zu sein.
Mottisfont ist ein Fest für die Sinne, liebe Renate. Wie schön, dass du mich 10 Jahre nach meinem Besuch (wirklich, schon 10 …?) noch einmal virtuell dorthin mitgenommen hast. Den Centranthus auf der Mauer fand ich damals schon klasse.
Liebe Grüße und frohe Pfingsten
Susanna