Der chinesische Garten ” Das verborgene Reich von Ming “

chinesischer Türbeschlag

im Hortus Botanicus Haren-Groningen , NL , ist der größte Ming-Garten in Europa .

Eingangsbereich in den Ming-Garten im Hortus Groningen

Auf den Säulen links und rechts des Eingangstors stehen die Namen Shanghai und Niederlande in chinesischen Schriftzeichen. Über dem Eingangstor befindet sich das Wort “Freundschaft”.

欢迎 “Huānyíng” oder “herzlich Willkommen”

in der historischen Ming-Zeit Chinas! “Unmöglich”, denkt Ihr? “Was hat ein Botanischer Garten in den Niederlanden mit einem chinesischen Garten zu tun”? Sehr viel mehr als Ihr Euch vorstellen könnt! Dieser Garten ist keinesfalls weniger authentisch als die Gärten aus der Ming-Zeit, die ich in Peking, Shanghai und vor allem in der chinesischen Gartenstadt Suzhou besucht habe.

Ankommen im Hortus Botanicus Haren-Groningen

Sänfte im Torhaus – einer der beiden Löwenwächter vor dem Eingang – Im Hof der „Begrüßenden Düfte“

Natürlich bin ich nicht mit der Sänfte, die im Torhaus dekorativ abgestellt ist, von Ostfriesland, meinem heutigen Ausgangspunkt, bis hierhergekommen. Erna de Wolff chauffierte mich dankenswerterweise zur gleichnamigen Hauptstadt der Provinz Groningen, in den Stadtteil Haren, der erst seit dem Januar 2019 zu Groningen gehört. Mit ca. 20 ha Größe ist der hier befindliche “Hortus botanicus Haren-Groningen” einer der größten botanischen Anlagen der Niederlande. Aber, wie kommt ausgerechnet ein hochwertiges, einem chinesischen Mandarin-Garten der Ming-Dynastie des 16. Jahrhunderts nachempfundenes Gartenensemble, in die Niederlande?

Der Ursprung dieses Gartens

Fast bin ich versucht zu schreiben: „Das war eine Schnapsidee“. Vielleicht tranken die Mitglieder der Groninger Handelsmission, die 1986 ein Restaurant beim Long Hua Tempel in Shanghai besuchten, tatsächlich einen “Mao Tai” Schnaps, als einer der Teilnehmer meinte: „So etwas müssten wir auch in Groningen haben.“

Die blaue Wand im Ming Garten Groningen

Brunnenrelief in Groningen, der berühmten türkisen “Neun Drachen Wand”, in der Verbotenen Stadt Peking, nachempfunden.

Tatsächlich entstand 1995 nicht nur die einem Chinesischen Garten nachempfundene Anlage, wie man sie immer wieder außerhalb Asiens zu sehen bekommt, sondern Meister Le Wei Zon, der berühmte Stadtgarten-Architekt aus Shanghai nahm die Sache persönlich in die Hand. Während eines Besuches im Hortus erspürte er die zukünftige Lage, fand sie schon wegen der vielen Wasser-Kanäle, von denen der Botanische Garten durchzogen wird, sehr geeignet und fertigte bereits in der Zeit seines Besuches die ersten Entwürfe für den chinesischen Garten an.

Yu Garden – 豫園 / 豫园 – Yu YuanGarten des Erfreuens

herbstliche Ginkgo-Blätter im Wasser

Als Stadtgarten-Architekt der Groß-Metropole betreute er auch den wichtigsten Garten Shanghais. Der Yu Garden liegt exakt auf dem Gebiet des Tempels, der dem Stadtgott von Shanghai gewidmet ist. Darum gilt Yu Yuan im Feng-Shui als “Mitte im Herzen der Stadt Shanghais”. Im Jahre 1559 wurde der zwei Hektar große Yu-Garten 豫園 / 豫园 von Pān Yǔnduān, einem hohen Beamten zur Zeit der Ming-Dynastie (während der Perioden Jiajing und Wanli), für seinen Vater im Stil der Suzhouer Literatengärten, als Privatgarten erbaut. Ich berichtete schon vor einiger Zeit in Wurzerlsgarten über diese Anlage. Klickt gerne auf diesen Link, um einen der wichtigsten, chinesischen Gärten der Ming-Zeit zu sehen und mit der guten Qualität des Gartens im Hortus zu vergleichen:

https://www.wurzerlsgarten.de/internationale-gaerten/yu-garden-%e8%b1%ab%e5%9c%92-%e8%b1%ab%e5%9b%ad-yu-yuan/

Das ursprüngliche Vorbild für Meister Le Wei Zon war wohl “Der Garten des Bescheidenen Beamten”, in Suzhou, Provinz Jiangsu – 拙政园, innerhalb der Regierungszeit von Kaiser Zhengde aus der Ming-Dynastie, im Jahre 1509 erbaut. Er gilt als bester klassischer Garten der Ming-Dynastie und inspirierte Meister Le Wei Zon zur Planung des wunderbaren Mandarin-Gartens im Ming-Stil in Groningen. Shanghai stellte alle nötigen Baumaterialien zur Verfügung, die Niederlande brachten die dafür nötigen Mittel auf.

Im Hof der „Begrüßenden Düfte“ im chinesischen Garten des Hortus Groningen

Sieben Monate lang verbauten chinesische Arbeiter das gesamte Material, das in China verschifft worden war, um in den Niederlanden zum wunderschönen chinesischen Garten: „Das Verborgene Reich von Ming“ zu werden, der am 12.4.1985 von Königin Beatrix offiziell eröffnet wurde. Die Solitär-Steine für den Garten, das Holz für die Pavillons, die Möbel für „Das Stöhnen des Drachen Teehauses“ und vieles mehr wurde weitestgehend per Hand von den chinesischen Arbeitern verbaut und verarbeitet. „Was man von Hand herstellt, da kann man seine Seele hineinlegen.“ So lautet ein wahrer Spruch, der wohl nicht nur für China gilt.

Spaziergang durch den Garten

Es wird Zeit, dass wir endlich den Garten gemeinsam erkunden. Oben zeigte ich bereits das Torhaus, den Eingangsbereich und erste Bilder des „Hofes der Begrüßenden Düfte“. In diesem ersten Gartenteil befinden wir uns immer noch.

Chinesisches Mondtor in gewellter Drachenmauer – Wandelgang an der Mauer – Drachenkopf

Viele der wichtigen Elemente eines typischen Ming-Gartens sehen wir nämlich schon hier. Die Pflanzen sind sorgfältig und authentisch ausgewählt, dazu später mehr. Die Solitärfelsen, die unbedingt zu einem Chinesischen Garten gehören, sind nicht von höchster Qualität, was verständlich ist, aber sie erfüllen ihren Zweck. Es findet sich eine abwechslungsreiche Pflasterung mit Steinen, die als ruhige Wege genauso mit größeren Steinen gestaltet sind, wie kleinste Kieselsteine, die mühselig als Mosaik-Kunstwerke verlegt wurden. Ming-Gärten wurden hauptsächlich mit Mauern umgeben und in Räume aufgeteilt. Hier befindet sich eine sogenannte Drachenmauer, deren prachtvoller Kopf dem Vorbild des ähnlichen Drachen im Yu Garden nachempfunden ist. Der Drache symbolisiert in China Glück, Güte und Intelligenz, was auch oft Reichtum nach sich zieht.

Kunstvolle Öffnungen in den Gebäuden und Mauern verhindern, dass der Geist des Betrachters eingeengt wird.

Direkt an der Mauer befindet sich ein überdachter Wandelgang. Dieses wichtige Gestaltungselement findet sich häufig in chinesischen Gärten. Frei im Garten befindlich, enden sie meist am Ufer eines Sees oder vor einer besonders gelungenen Gebirgslandschaft im Kleinformat. Der Sinn ist, trockenen Hauptes und Fußes durch den Garten wandeln zu können. Ehrlich gesagt, darüber war ich in China sehr froh. Es regnete so häufig, dass ich z.B. vom “Garten des Bescheidenen Beamten” nur etwa ein Dutzend vernebelte, nicht aussagekräftige Bilder mitgebracht habe. Auch hier in Groningen war ich froh über die Wandelgänge, denn ab und an verdunkelte sich der Himmel unheilvoll. Transparenz ist in chinesischen Gärten sehr wichtig, Hausfronten, Mauern, Wandelgänge sind stets so ausgeführt, dass man sich nie eingeschlossen fühlt. Überall in der Mauer gibt es Öffnungen, um in den nächsten Gartenteil hinauszuspähen. Sie sind fantasievoll in Fächer- oder Trapezform gestaltet. Der Durchgang in das Herz des Gartens ist mit dem im alten China typischen Mondtor gestaltet.

Der Zickzack-Wandelgang führt direkt zur großen Aussichtsplattform am See.

Sobald man über die Schwelle schreitet, öffnet sich eine neue Garten-Szenerie. Wer an die Sinnhaftigkeit des Mondtores glaubt, der ist jetzt bereit, nicht mehr nur mit den Augen, sondern mit allen Sinnen den Garten zu genießen. Hier ist das Herz mit Teich- und Felsformationen, an die sich Pavillons mit poetischen Namen anschmiegen. Ich betrete einen sogenannten Zickzack-Wandelgang, dessen Aussichtsplattform am Ende, direkt in den großen See hineinragt. Zickzack-Brücken und -Gänge waren im alten China wichtige Grundstücks-Bestandteile. Die Menschen glaubten, dass böse Geister nur geradeaus gehen können und ihnen damit der Zugang zum Haus verwehrt wird. Wichtiger ist meiner Meinung nach, der in der daoistischen Philosophie enthaltene Gedanke, dass man den Weg des Lebens, der niemals geradeaus führt, achtsam beschreiten solle.

Der “Pfad durch den Wald des ewigen Bambus” wirkt berührend, regt zum Nachdenken an.

Nicht nur die Wandelgänge wirken filigran, auch die Pavillons und Gebäude mit vielen Öffnungen in der kunstvollen Holzschnitzerei. Die Mauern sind ebenfalls immer wieder mit Öffnungen versehen. Der Sinn der Sache ist einfach der, unzählige kleine Rahmen zu schaffen, die es beim Rundgang im Garten ermöglichen, von einem Gartenkunst-Gemälde in das andere zu schreiten. Es entstehen damit Sichtachsen und Bildausschnitte, die in einem europäischen Landschaftsgarten so niemals möglich wären. Momentan befinde ich mich im Randbereich des Gartens, Bevor ich den großen See umrunde, verweile ich im “Pfad durch den Wald des ewigen Bambus”.

See des roten Karpfens” mit der” Insel der Geliebten

Dann laufe ich das Ufer des “Sees des roten Karpfens” entlang. Von der Seite genieße ich schöne Blicke, erst auf die Aussichtsplattform, dann auf verschiedene Pavillons. Was ich sehr schade finde, ich entdecke nirgends einen Plan, weder im Web noch im Flyer über den Ming Garten, noch im Garten selbst, in welchem die Namen der Gartenteile oder Pavillons und Gebäude benannt worden wären. Vielleicht habe ich ihn irgendwo übersehen?

Gerne hätte ich den Namen dieses schönen Aussichtspavillons gewusst. Als ich die Blüte von Nandina domestica, dem Himmelsbambus, entdecke, fällt mir ein, dass ich Euch noch einige Informationen über typische Pflanzen in historischen chinesischen Gärten schulde. Generell spielen Blüten eine untergeordnete Rolle, trotzdem sind die Gärten so angelegt, dass zu jeder Jahreszeit zumindest eine passende Symbolpflanze blüht. Den Frühlingsbeginn zeigt die Blüte der Trauerweide an, gefolgt von Azaleen und den Paeonien im Spätfrühling. Der Sommer wird versinnbildlicht von der Reinheit und Schönheit der Lotosblüten. Im Herbst sind die Chrysanthemen, die zu den „Pflanzen des langen Lebens“ zählen, die Stars, die sich farblich jedoch passend an die Herbstfärbung des Laubs der Ginkgos, Ahorne und Kirschen anpassen, um die Harmonie nicht zu stören. Bambus, Kiefer und Moose sind ebenfalls unverzichtbar.

Die große Halle mit Wandelgang und Aussichtsplattform – Kois im Teich – die Kamelrückenbrücke

Nach einem Blick auf die große Halle neben der Aussichtsplattform gehe ich langsam auf die Stein-Formationen zu. Von der Kamelrückenbrücke aus betrachte ich die Kois, die langsam und majestätisch durch das saubere Wasser gleiten. Neben dieser kleineren Brückenform gibt es für große Anlagen, z.B. im Neuen Sommerpalast von Peking auch die spektakulären Mondbrücken. Sie sind größer, höher und halbmondförmig gewölbt, so dass sich bei entsprechendem Lichteinfall der Halbmond, mit dem Wasserspiegel vereint, als Vollmond präsentiert. Da es die Kaiser liebten, sich mit ihren großen Drachenbooten unter diesen Mondbrücken hindurchgleiten zu lassen, mussten diese für die Boot-Aufbauten eine Mindest-Höhe aufweisen. Für das Durchfahren im Boot ungeeignet sind dagegen die unzähligen Zickzack-Brücken (siehe Zickzack-Wandelgänge).

In unmittelbarer Ufernähe baut sich hier eine Felsformation auf. Das Wasser wird durch eine steinerne Grotte hindurchgeführt und stürzt sich geräuschvoll als Wasserfall zurück in den See. Über Steinquader durchquere ich trockenen Fußes die Grotte. Das Hörerlebnis des Wasserfalls im Inneren begleitet mich zur großen Halle, die ich mir gerne von innen ansehen möchte. Später kehre ich zum See zurück, der mich dann als Bach in die Nähe des Bonsai-Gartens begleiten wird. Aber zuerst bewundere ich noch die Holzschnitz- und Architekten-Kunst der Halle, Wandelgänge und Pavillons.

Das Ziel der chinesischen Gartengestaltung ist es, eine Harmonie von Erde, Himmel, Steinen, Wasser, Gebäuden, Wegen und Pflanzen zu erreichen. Zu diesen „sieben Dingen“ gesellt sich als Achter der Mensch, der im Idealfall mit ihrer Hilfe zur vollkommenen Harmonie findet. Die vorgegebene Farbkomposition eines chinesischen Gartens setzt sich aus dem Blattgrün der Pflanzen, dem Rot der Säulen, dem Weiß der Wände und dem matten Grau der Tonziegeldächer zusammen.

Die Gartenteile sind so aneinandergefügt, dass ein Spaziergang dem Besuch einer Ausstellung mit unzähligen chinesischen Gemälden gleicht. Verschlungene Wege, Wasser in vielerlei Form, Galerien und Wandelgänge, Pavillons und überraschende Sichtachsen laden zum Träumen ein.

Maler im Sommerpalast in Peking 1979

Maler in einem der Wandelgänge des Neuen Sommerpalast Peking, 1979

Die wohlhabenden Kaufleute und Beamte der Ming-Zeit ließen sich kostbare Gärten anlegen, um einen Rückzugsort zu besitzen. Sie widmeten sich der Garten-Gestaltung, aber auch der Poesie und Malerei. Dienlich hierfür waren die zahlreichen Sitzgelegenheiten auf den Aussichtsplattformen, oder wie hier ein neuerlicher Zickzack-Wandelgang, der in den Bonsai-Garten hineinführt. Zum Betrachten, um an einem „Penjing“ zu arbeiten, oder um zu malen, es mangelte nirgends an geeigneten Plätzen. Oben zeige ich Euch ein Foto vom Sommerpalast in Peking, wie einfach und vielfältig diese niedrigen Holzbänke benutzt werden können.

Wandelgang im Bonsai-Garten – die Drachenmauer hinter Bambus – im Bonsai-Garten

Übrigens, Bonsais gab es schon lange vor der Ming-Dynastie, aber in dieser Zeit wurde der Begriff für den Bonsai „Penjing“ erstmals geprägt. Begriffe wie: „Stumme Gedichte“, Lebende Skulpturen“ oder „Dreidimensionale Gemälde“ weisen auf die Bedeutung der Zwergbäume und Miniaturlandschaften in ihren kostbaren Schalen hin. Die Ming-Zeit stellte tatsächlich ein Hoch-Zeit der Bonsai dar. Gärten, die auf sich hielten, wie „Der Garten des bescheidenen Beamten“, besitzen nicht nur viele großartige Bonsai-Unikate, nein, ihnen sind tatsächlich Bonsai-Schulen angegliedert. So ist es nicht erstaunlich, dass ich auch hier in Groningen solche kleinen Wunderwerke besichtigen kann.

Inzwischen habe auch ich längst damit begonnen zu träumen. Ich sehe plötzlich die “Allee der Steintiere”, auch “Geister Allee” genannt, vor mir. Sie führt zum „Changling Mausoleum“, der größten und wichtigsten Grabanlage der Ming-Kaiser. Dieser Besuch war mein erster Berührungspunkt mit der Ming-Zeit, als ich das erste Mal 1979 in China und auf dem Weg zur Großen Mauer war.

Von den etwa 270 Gärten, die während der Ming-Dynastie entstanden sind, ist gerade mal ein Dutzend erhalten geblieben. Die beiden Wichtigsten, den „Yu Garten“ (siehe Link oben) und den „Garten des bescheidenen Beamten“ (ein weiteres Vorbild für Groningen) durfte ich in der Vergangenheit kennenlernen. Ich bin dem Hortus Haren-Groningen sehr dankbar, dass ich 2023 dieses „Déjà-vu“  erleben durfte.

Hortus botanicus Haren-Groningen

Chinesischer Garten im Ming-Stil

Adresse: 9751 NN Haren, Kerklaan 34, NL

Website, es gibt natürlich noch sehr viel mehr zu entdecken: https://www.hortusharen.nl/de/

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