Der botanische Garten in Puerto de la Cruz

Hibiscus rosa-sinensis, Botanischer Garten Teneriffa

Teneriffa – Die Insel der Seefahrer und Pflanzensammler

Die botanische Welt trifft sich zum Stelldichein auf der größten Insel der Kanaren. Auch ich habe ein Rendezvous, ich treffe die uralte Opuntien-Schildkröte im Norden der Insel. Sie gehörte zu den ersten botanischen Einwanderern auf den Kanaren und erzählt mir die spannendsten Geschichten aus der Zeit der mutigen Seemänner, die sich aufmachten neue Kontinente zu entdecken, von Eroberern, die ganze Erdteile und Inseln für die europäischen Herrscher mit Gewalt annektierten, Kolonisten, die sich ab dem 15. Jahrhundert dort niederließen und Pflanzensammlern, die die Schiffsbäuche mit bis dahin unbekannten Bäumen und ihren Früchten, aber auch mit Zierpflanzen und Samen füllten.  

Blattcollage aus dem Botanischen Garten in Teneriffa.

Wasser- und Wind-Strömungen leiteten die Segelschiffe aus den europäischen Häfen nach Teneriffa und dort  war die letzte Möglichkeit noch einmal Trinkwasser und Lebensmittel für die lange Reise einzulagern. Auch auf dem Rückweg wurden die Kanaren angesteuert. So wurde Teneriffa schnell zur Basisstation für die ersten Expeditionen in die Neue Welt.

Da Teneriffa lange Zeit Umschlag- und Handels-Platz, Auffang-Ort und Proviantstelle für alle Schiffe war, die unweigerlich auf ihren Wegen nach Amerika, Australien, Südafrika oder Asien hier vorbei mussten, gelangten schon früh subtropische und tropische Gewächse hierher, die bald heimisch wurden, da das Klima der Kanaren gut verträglich ist. Edelhölzer und tropische Ziergehölze, Tomaten, Kartoffeln und Bananen wurden eingeführt. Letztere sind noch heute ein wichtiger Export-Zweig der Kanaren. Die Vielfalt der exotischen Pflanzen aus aller Welt, die den Weg hierher fanden, ist echt beeindruckend.

Kolonialismus, auch auf den Kanaren

Nach ersten Einbußen von wertvollen Pflanzen in England und anderswo legte man in Teneriffas Norden am Ende des 18. Jh. eine große Anbaufläche für exotische Pflanzen an, um sie für das europäische Klima fit zu machen. Heute ist an dieser Stelle der Botanische Garten von Puerto de la Cruz, der  Jardín de Aclimatación de La Orotava, der mit alten Bäumen, teilweise aus der Gründerzeit, ein beeindruckendes Bild abgibt.

Baumrinden-Collage aus dem Botanischen Garten Teneriffa.

Damit förderte man natürlich die Einfuhr von noch mehr Bäumen und Blumen aus aller Welt. Die Menge an eingeführten Pflanzen war so immens, dass Teneriffa zur Flora-Königin aufstieg – bis dahin war sie es schon in Bezug auf die endemischen Pflanzen. Nach einer soooo langen Vorrede muss die alte Schildkröte erst einmal tief Luft holen, dann schließt sie ihre Ausführungen: “So bin auch ich seinerzeit auch auf die Insel gekommen”.

Die alte Opuntien-Schildkröte auf Teneriffa

Ist es despektierlich, Dich zu fragen liebe Schildkröte, wie Du nach Teneriffa gelangt bist?”  Die Opuntien-Schildkröte lächelt nur und meint, sie wäre als Wirtspflanze der Cochenillelaus aus Südamerika mitgebracht worden, damit man auf den Kanaren den kostbaren, roten Farbstoff gewinnen konnte.

Aber dann meint sie, es wäre doch besser, wenn ich Euch jetzt endlich in den Botanischen Garten von Puerto de la Cruz führen würde. In einem anderen Bericht wollte sie mich dann in die herrliche Landschaft mitnehmen, damit ich Euch die 7 verschiedenen Vegetationsstufen und die endemische Flora vorstellen kann, von der schon so wichtige Botaniker, wie Alexander von Humboldt seinerzeit begeistert war.

Im Botanischen Garten von Puerto de la Cruz

Aber jetzt tauchen wir ein in den Farbenrausch und die exotischen Düfte des Botanischen Gartens, wo wir die Mütter und Väter der pflanzlichen Einwanderer bewundern können, die sich inzwischen auch in den öffentlichen Anlagen und Gärten der Canarios etabliert haben.

Allamanda catharica ‘Hendersonii’ – Bromelien, Palmen, Zyperngras, Taro – Spathodea campanulata, afrikanischer Tulpenbaum, Eingangsbereich

Der botanische Garten, mit einer fast rechteckigen Grundform, misst mehr als 60000 qm. Eine Sammlung mit über 50000 Gewächsen aus 5 Kontinenten, 5000 Pflanzenarten und 120 Baum-Arten haben hier ihren Lebensraum erhalten.  

Am 17.08.1788  wurde er auf den allerhöchsten Befehl von König Carlos III. gegründet. Nach dem Königlich-Botanischen Garten in Madrid ist das der zweitälteste Botanische Garten Spaniens.

Anthurien-Collage, Flamingoblumen im Botanischen Garten, Puerto de la Cruz.

Don Alfonso de Nava Grimon Marquis de Villanueva del Prado wurde beauftragt in der Nähe des Hafens von La Orotava einen geeigneten Boden zu suchen und dort Samen und Pflanzen aus Amerika und Asien zu kultivieren. Der Postsegler San Bernardo brachte noch im gleichen Jahr die ersten Samen von tropischen Gewächsen mit.

Was daraus geworden ist schauen wir uns doch gerne an. Dazu spazieren wir durch die Schattenquartiere von Anthurien und Bromelien, durch urwaldnahe Pflanzungen zu den Sonnenkindern im Gehölzbereich bis wir ganz hinten zum großen Seerosenbecken kommen. Viel Spaß beim Entdecken der Weltflora.

Schon der Eingangsbereich ist spektakulär, im Entree-Rondell sitzen Bromelien- und Farn-Epiphyten auf hohen Ficus-Bäumen. Das Louisianamoos, Tillandsia usnoides hängt meterlang in silbernen Dauerwellen von den Ästen eines Taxodiums. Rechts und links vom Eingang wurde die hohe Mauer benützt, um leicht beschattet einer präsentablen Anthurien-Sammlung das richtige Habitat zu bieten. An der Mauer klettern Philodendren und andere Blattschönheiten nach oben.

Ficus sycomorus – Paphiopedilum insigne – Austrieb von Baumfarn

Es folgen große Rechtecke in denen vormals übersichtlich verschiedenste Bäume aus unterschiedlichen Kontinenten gepflanzt wurden. Sie haben inzwischen ein Alter und Ausmaße erreicht, dass ich einfach nur ehrfürchtig davorstehe. Da im Laufe der Zeit sich die Unterpflanzungen mit Sanseverien, Bromelien und Farnen ganz natürlich zwischen den mächtigen Wurzeln ausgebreitet haben, fühlt man sich tatsächlich wie in einen Urwald versetzt. Genauso erlebte ich das seinerzeit weit entfernt von jeglicher Zivilisation im Dschungel der Dominikanischen Republik.

Agonis flexuosa, Westaustralischer Pfefferminzbaum – Cymbidium – Erythrina carnea

Vor mir liegt ein grünes Dschungelparadies. Besonders auffällig ist ein uralter, riesiger Ficus macrophylla subsp. columnaris, eine großblättrige Feige, die sich durch abwärts wachsende Triebe aus dem Astwerk immer noch ein Stück weiter weg vom eigentlichen Stamm in die Erde bohrt, um noch mehr Nährstoff-Flächen aufzutun. Zwischen dem vielen ruhigen Grün blitzen immer wieder kleine Orchideen-Edelsteine auf. Als ich in die sonnigen mittleren Areale wechsle schaut mir der Philodendron frits wentii tief in die Augen. Er ist schon ein wenig eitel, ob er wohl seine Augenbrauen selbst gefärbt hat?

Cymbidium – Ficus macrophylla subsp. columnaris, eine großblättrige Feige – Philodendron frits wentii

In den Sonnenbereichen gibt es zwar auch Gehölze, allerdings werfen die blühenden Sträucher von Senna, Calliandra oder Tibouchina genauso wenig Schatten, wie die kanarische Kiefer, Palmen oder Araucarien. So ist das ein sehr buntes exotisches Miteinander, an dem ich mich gar nicht richtig sattsehen kann.

Calliandra haematocephala – Tibouchina granulosa – Alpinia densespicata

Ich entdecke viele Pflanzen-Arten, ja teilweise -Gattungen, von denen ich noch nie gehört habe. Bestenfalls habe ich sie irgendwann einmal in einem Foto oder einem Gewächshaus bewundert. Hier ausgepflanzt entfalten diese wunderbaren Bäume, Sträucher und Stauden ihren Habitus und zeigen sich in der vollen Schönheit ihres Blütenflors.

Brugmansia Versicolor-Hybride – Breynia disticha – Cuphea jorullensis

Es ist für mich ein erhebendes Gefühl zwischen meterhohen Weihnachtssternen vorbeizuflanieren und immer weitere großartige Pflanzen zu erleben. Das Alter dieses Botanischen Gartens und natürlich die große Bedeutung die er für die Einfuhr vieler Exotenpflanzen in Europa hatte, verleihen ihm nicht nur ein besonderes Flair, nein, so manche beeindruckende alte Pflanze macht mich fast demütig.

Selenicereus wercklei, epiphytischer Kaktus – im Sonnengarten – Caryota plumosa, Fischschwanzpalme

Dazu gehört dieser alte Epiphyt, Selenicereus wercklei, der die Palme fast komplett erobert hat. Ich stelle mir direkt vor, wie dieses Ensemble wirkt, wenn auf ein geheimes Kommando hin sich die weißen Blüten entfalten. In den ruhigen grünen Ecken des Botanischen Gartens ist es auch bei weitem nicht so ruhig, wie man denken möchte. Auf den Bildern sieht man gut, wie interessant die unterschiedlichen Strukturen der Pflanzen sind. Und die verschiedenen grünen Farbtöne von gelbgrün bis tief blaugrün sieht man natürlich ebenfalls in einem blütenlosen Gartenbereich viel besser.

Ceiba speciosa, Kapokbaum – Senna didymobotria, Kerzenkassie – Urceolina grandiflora

Aber natürlich bin ich nicht gefeit gegen die Blütenpracht, die mir aus jedem Blickwinkel heraus entgegen leuchtet. Viele der schönsten Bäume wie Bauhinia, der Orchideenbaum, Ceiba speciosa, der Kapokbaum, Spathodea campanulata, der afrikanische Tulpenbaum oder die Sennas und Albizien gehören seit langem zum ganz normalen Straßenbild in den Ortschaften von Teneriffas Norden.

Brugmansia Hybride – Heliconia bihai, Scharlachrote Hummerschere – Petrea volubilis, Purpurkranz

Langsam nähere ich mich dem hintersten Abschnitt des Botanischen Gartens. Hier finde ich zwei Lieblingspflanzen von mir, nämlich die Strelitzia regina und Strelitzia nicolai, die sich zusammen mit einer Gruppe Ravenalas, Baum der Reisenden, präsentieren. Die orangefarbene Paradiesvogelblume kultiviere ich seit 40 Jahren in meinem Wintergarten. Das ist mit der weiß blühenden Verwandten nicht möglich, wie schon der Name Baum-Strelitzie andeutet.

Strelitzia regina – Dichorisandra thyrsiflora – Strelitzia nicolai

Bisher bin ich kreuz und quer die vielen Rechtecke durchgelaufen. Orientiert habe ich mich zwischendurch immer am breiten Mittelweg, der bereits im Eingangsbereich vorne beginnt und der mich jetzt zu einer breiten Treppe lotst, die rechts und links von mächtigen afrikanischen Tulpenbäumen, Spathodea campanulata und weiteren botanischen Kostbarkeiten flankiert ist.

Ich weiß schon, was mich oberhalb der Treppenstufen erwartet. Ein großes, eckig formales Wasserbecken liegt hier, geschützt von den oben genannten Bäumen an der Aufgangs-Seite und einer weißen Mauer, die Mühe hat, ihr strahlendes Weiß zu zeigen, weil sie von Bougainvillea und Clerodendrum x speciosum überbordet ist.

Thalia geniculata – Nymphea-Gruppe, tropische Seerosen – Bougainvillea

Im Wasserbecken räkeln sich die Seerosen-Blüten um sich zu sonnen. Dabei werden sie liebevoll von elegantem Zyperngras, blühender Thalia geniculata und filigranem Papyrus umgarnt. Schildkröten und Fische genießen die Ruhe in diesem Gartenteil, im dem die Zeit regelrecht stehengeblieben zu sein scheint. Der Monarch-Falter verhält sich ganz still und nascht vorsichtig an den Blüten. Ich werde immer melancholisch, wenn ich an dieser Stelle des Botanischen Gartens angekommen bin, denn er signalisiert das Gartenende und die Rückkehr in das pulsierende Leben der Hauptstadt.

Wer nicht ausschließlich zum Baden nach Teneriffa fliegt, sondern Interesse an der Natur und Botanik der Insel hat, der sollte unbedingt im Norden sein Quartier suchen. Nirgendwo kann man so gut die 7 Vegetationsstufen von (fast) nacktem Felsen auf dem höchsten Berg Spaniens, dem Teide bis hinunter zur Strand-Vegetation beobachten. Nachdem mich die alte Schildkröte gefragt hat, ob ich mir überhaupt darüber im klaren bin, was die Botanischen Gärten, Parks und Privatgärten, sowie die Landwirtschaft überhaupt diesem Botanischen Garten alles zu verdanken haben und ich gedankenschwer nicke, vereinbaren wir ein baldige Wiedersehen, wo mir die Schildkröte dann ihre Neuheimat vorstellt und ich vieles über die Ureinwohner, die Guanchen, und die vielen endemischen Pflanzen von Teneriffa erfahren werde.

Ich hoffe, Ihr seid dann wieder dabei?!

Jardín de aclimatación de La Orotava, auch Jardín Botánico de la Orotava oder Botánico genannt!

Botanischer Garten in Puerto de la Cruz, C. Retama, 2, 38400 Puerto de la Cruz, Santa Cruz de Tenerife, Kanarische Inseln, Spanien

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8 Kommentare

  • Edith sagt:

    Da werden Erinnerungen wach die nun schon lange zurückliegen. An einiges kann ich mich sehr gut erinnern, es war so eine Fülle von Neuem, wir, unser Sohn und ich, wir konnten nicht alles speichern, wir waren einfach überwältigt. Dennoch wurde Lanzarote meine Kanaren-Favoritin, dort war ich öfter. Ich bin gerne mit dir unterwegs gewesen und werde wohl noch mal mit dir wandern müssen, so viel Info will verdaut werden.
    Lieber Gruß
    Edith

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Edith, wie schön, wenn Du bei den Bildern Deine Erinnerungen auffrischen kannst. Sicher wird Dir dann auch später der Post gefallen, in die ich die 7-Vegetationsstufen Teneriffas vorstelle. Eine einmalige Situation auf wenigen Kilometern erfahrbar. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende. LG Wurzerl

  • Susanna sagt:

    Liebe Renate,
    ein toller Bericht über den Botanischen Garten in Puerto de la Cruz. Ich durfte ihn selbst vor zwei Jahren besuchen und war genau so beeindruckt wie du. Was für eine Sammlung von Exoten, die ich entweder gar nicht kannte oder nur im Kleinformat im Blumentopf als Zimmerpflanze! Anschließend gab es einen heftigen Sturm und er war für Aufräumarbeiten geschlossen. Ich hoffe, dass kein großer Schaden an den wundervollen Bäumen entstanden ist.
    Die Schildkröte ist ein ganz besonderes Exemplar! 🙂 Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
    Susanna

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Susanna, meine Opuntien-Schildkröte wächst in einem Garten an der Steilküste von Icod de los Vinos. Ich glaube aber, dass die Gute inzwischen etwas kopflos geworden ist. Ich erinnere mich an den Sturm vor 2 Jahren, ungewöhnlich für die Kanaren, aber warum sollte die Klimaänderung ausgerechnet vor diesen paradiesischen Inseln Halt machen. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende. LG Wurzerl

  • Da war ich auch schon! Das war doch Ehrensache, den anzugucken, das Hotel war auch gar nicht so weit weg. Ich weiß noch, dass ich gestaunt habe, dass die Grünlilien die Beetbegrenzung waren. Und der Leberwurstbaum hat mich auch begeistert. Damals hatte ich aber keine Digitalkamera, das muss so 2002 gewesen sein?
    VG
    Elke

    • Das Wurzerl sagt:

      Ups ja 2002, da konnte man noch Unsummen Geld für Diafilme oder Negative ausgeben und wenn man Pech hatte, war nix drauf. Das waren noch Zeiten, da habe ich in 5 Minuten gewusst, ob ich ein paar gute Bilder oder nur Müll hatte. Jetzt knalle ich die Speicherkärtchen nur so voll und schwelge tagelang in 100ten von Fotos – gut, meine Freizeit ist eigentlich auch eine Unsumme Geld wert, aber man sieht das nicht auf dem Konto, lach. LG Wurzerl

  • Rafael Rudolf Raschauer Elorriaga sagt:

    Sehr interessant und sehr schönne Bilder!!
    Ich liebe diese Insel!!
    Vielen herzlichen Dank für dein Post!!

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