Maxipark Hamm – Piet Oudolf näherkommen

Piet Oudolf Pflanzung im Maximilianspark Hamm

Ankommen im Maximilianpark

Ich bin auf der Autobahn unterwegs nach Hause. Diese letzte sinnlose Kilometerfresserei ist mir ziemlich das Verhassteste, was mir regelmäßig am Ende der Gartenreisen widerfährt. Was tun, wenn man mittags an einem warmen Spätsommertag keine Lust auf Bleifuß im Auto hat? Richtig, ich weiche von meiner Route ab und programmiere statt „Home“ „Hamm“ ein. Um 14 Uhr stehe ich auf dem Parkplatz des Maximilianparks und das Navi erzählt mir, dass sich mein Heimweg um 75 km verlängert hat und ich, bei 2 ½ Stunden Aufenthalt im Park, um etwa 23 Uhr zuhause ankomme! Egal, ich will da jetzt rein und mir endlich die hochgelobten Piet Oudolf Pflanzungen ansehen.

Nächstes Jahr wird der Maxi-Park, wie er liebevoll von den Anrainern genannt wird, gerade mal 40 Jahre alt. Entstanden ist er 1984 auf dem Areal der ehemaligen Zeche Maximilian. Anstoß war die Landesgartenschau; für sie wurde aus einer Industriebrache ein nachhaltig geplanter Park angelegt. Der Künstler Dr. Horst Rellecke hatte die alte Kohlenwäsche in den weithin sichtbaren Glaselefanten eingebunden. Dieser Elefant ist seitdem das Wahrzeichen der Stadt Hamm. Alte Zechengebäude dienen weiter für Ausstellungen und Veranstaltungen. Alte Relikte aus der Bergbauzeit erinnern im Park immer wieder an die “Kohlen”-Geschichte.

Der Bergbau wurde bereits 1914 eingestellt und bis zu den ersten Baumaßnahmen anl. der LAGA entwickelte sich in diesem Gebiet eine artenreiche Flora und Fauna. Eine Kartierung des Geländes und ein schonender Umgang mit demselben und der Erhalt von Gehölzgruppen und vorhandenen Wegen war für das Vorhandene hoffentlich hilfreich. Ich befinde mich noch nahe des Eingangs bei den großen Wechselflorflächen, die, wie auch der restliche Park, seit etwa 20 Jahren gärtnerisch von der Landschaftsarchitektin Petra Rieke-Schrewe betreut wird.

Natürlich habe ich keinerlei Chance, den Maxipark mit seinen 22 ha Größe, in den 2 ½ Stunden, die ich mir selbst zugebilligt habe, komplett kennenzulernen. Ich fahre darum nicht im Glaselefanten 35 m hoch zur Plattform, um einen Überblick zu gewinnen. In die Nähe des großzügigen Kinderspiellandes komme ich gar nicht erst. Auch die Teich- und Sumpfgebiete, den Maximiliansee und die meisten Themengärten verkneife ich mir.

Die künstlerische Vision von Piet Oudolf im Maxipark

Ich möchte endlich die Piet Oudolf Pflanzungen sehen, die unter den Bezeichnungen:

GartenKunst (ab 2010, 4.000 qm, 26000 Stauden, ca. 70 verschiedene Arten und  Sorten verwendet)

NaturGestalten (ab 2011, 2.000 qm, 16000 Stauden, in 61 verschiedenen Arten und Sorten gepflanzt)

GrünFormen (ab 2019, 1.000 qm, 7500 Stauden, 66 verschiedene Arten und Sorten ergänzen und verbinden die beiden vorhandenen Flächen)

durch einen großen Parkbereich mäandern.

Piet Oudolf strebte im Maximilianspark keineswegs ein Stauden-Doppelborder an, das man von einem Weg aus betrachten kann. Sein Ziel war es, mit einem Netz von Wegen, Durchgängen und kleinen Plätzen, die Besucher direkt in die Pflanzenkompositionen hineinzuführen. Sie sollten nicht einfach hindurchlaufen, sondern sich im besten Fall zwischen den aufragendenden Staudengruppen, Wasserdost, Alant, Vernonie, Astern und unterschiedlichen Gräsern „verlieren“. Eine rhythmische Melodie entstand dabei durch das abwechselnde Wiederholen gleicher Arten. Immer wieder gibt es aus der Pflanzung heraus kleine Sichtachsen, die den Blick in die Weite schweifen lassen. Umgekehrt wird eine imposante Fernwirkung durch die großen Gruppen von gleichen Stauden erzeugt, denen man sich immer wieder gerne zuwendet.

Mitte September ist eine perfekte Zeit für einen Besuch dieses weitläufigen Areals, da die Frühherbststauden, auch die Gräser, jetzt voll entwickelt sind. Leitstauden wie Selinum wallichianum, die Rotstängelige Silge, siehe oben, oder die unten abgebildete Actaea simplex ‘Brunette’, eine wunderschöne Silberkerze, zeigen sich in vollem Ornat. Stauden wie Anemone x japonica ‘Pamina’, kuscheln jetzt, da die Nächte schon etwas kühler sind, gerne mit den benachbarten Stauden, bevorzugt mit Gräsern.

Mit insgesamt 7000 qm und über 50.000 Stauden ist das die bisher deutschlandweit größte Pflanzung von Piet Oudolf. Das hat die Folge, dass der Maximilianspark in Hamm sich gerne in einem Atemzug mit dem New Yorker Battery Park, dem Millennium Park Chicagos und dem Dream Park nahe Stockholm nennen lässt.

Piet Oudolfs geniale, gut funktionierende Planungsspiele greifen auf sein immenses Pflanzenwissen zurück. Das war sicher die Basis dafür, dass er als einer der renommiertesten zeitgenössischen Gartengestalter gilt. Für den Niederländer war die Natur eine wichtige erste Inspirationsquelle. Als Mitbegründer des „Dutch Wave“ setzt er auf Staudenpflanzungen im naturalistischen Stil.  

Viele der verwendeten Stauden wirken wie aus der Natur entnommene Arten. Das sind sie jedoch sicher nicht. Ihre Aufgabe besteht nämlich darin, möglichst lange gut im Beet zu stehen, stärkemäßig, mit abweichendem Habitus, paritätisch mit den Nachbarstauden zu korrespondieren und nicht nur mit einer Blüte, sondern auch mit schönem Samenstand und bestenfalls auch noch Herbstfärbung zu punkten. Das ist wichtig auf diesen großen Flächen, die einer Art oder Sorte viel Raum gewähren. Hilfreich ist die sehr dichte Bepflanzung infrage kommender Sorten, um eine unkontrollierte Ausbreitung und das Dominieren einer Staudensorte zu verhindern. Auf einen Herbstschnitt wird in den Pflanzungen von Piet Oudolf verzichtet. Gerne würde ich die Gräser und Samenstände der Blühstauden einmal bei Raureif im Winter erleben. Dem Klimawandel wurde mit einer Versorgung der Flächen mit einer Tropfbewässerung begegnet, so kann die Wasserversorgung, wenn nötig, optimal erfolgen.

Bevor ich zum Schmetterlingshaus weiterlaufe, möchte ich noch wissen, wer Piet Oudolf eigentlich ist. Im Internet finde ich eine Unmenge Daten, die wichtigsten sind vielleicht diese:

Piet Oudolf, 1944 im niederländischen Haarlem geboren, werkte ursprünglich als Kellner, Barkeeper, Fischhändler und Stahlarbeiter. 25jährig begann er für einen Gartengestalter zu arbeiten und entwarf schließlich selbst Gärten. 1977 gründete er zusammen mit seiner Frau Anja in Haarlem Firmen für Gartengestaltung und Pflanzenzucht. 1982 eröffneten beide in Hummelo ihre Ziergärtnerei. Seit 2010 arbeitet Oudolf nur noch als Gartengestalter. Der Privatgarten in Hummelo, 30 km westlich von Arnheim, war vielbesuchter Magnet für Fachleute und Gartenliebhaber aus aller Welt. Seit 2018 ist er für die Öffentlichkeit leider nicht mehr zugänglich.

Einige weitere Highlights im Park

Während ich auf dem Weg zum Schmetterlingshaus bin, resümiere ich meine Eindrücke, die die Piet Oudolf Pflanzungen bei mir hinterlassen haben. Ich wandelte soeben durch Tausende von Stauden, auf einem Riesenareal, frei, oder am Gehölzrand gelegen. Kann ich denn da irgendetwas mitnehmen für Wurzerlsgarten mit nur 180 qm Größe? Macht es überhaupt Sinn Euch diese spezielle Pflanzung mit ihren unglaublichen Ausmaßen vorzustellen?

Ja, absolut! Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass wir von diesem “Großen” eine Menge für unser “Kleines” lernen können. Die perfekten Pflanzkombinationen, farblich, von der Form und dem Korrespondieren mit den sorgfältig gewählten Nachbarn, sind auch für uns interessant. Weniger Solitärstauden und einer Staude nicht so viel Platz eingeräumt, aber durchaus Arten auch auf kleinem Areal zu wiederholen, das bringt auf der einen Seite Ruhe und Harmonie, auf der anderen wirken Wiederholungen in jedem Garten großzügig. Das musste ich Euch also zeigen! Ich habe einiges gelernt und denke gerne an die spezielle Ästhetik im Maxipark zurück.

Einer der wenigen Themengärten, die direkt auf dem Weg zum Schmetterlings-Haus liegen ist der Rosenhang. Die Fläche, die etwa 2000 qm ausmacht, zeigt ca. 80 verschiedene Rosensorten, kombiniert mit Stauden und Gehölzen. Regelmäßig wird diese Pflanzung mit neuen Rosensorten ergänzt. Caryopteris clandonensis, die Bartblume, und Herbstanemonen begleiten die remontierenden Rosenblüten.

Im Schmetterlingshaus

Danaus plexippus, Monarch – Caligo atreus, Blauer Bananenfalter – Idea leuconoe, Baumnymphe

Für Schmetterlinge habe ich eine große Schwäche, egal ob ich sie im Garten entdecke, oder einen Besuch in einem tropischen Schmetterlingshaus mache, ich empfinde dabei immer ein besonderes Gefühl, das sich nicht in Worten ausdrücken lässt.  

Greta oto, Waldgeist – Siproeta stelenes, Malachitfalter – Dryas iulia, Fackel, Juliafalter

Ich rechne in Hamm nicht mit einem professionell gestalteten Schmetterlingshaus. Fakt ist, dass ich soeben das größte tropische Schmetterlingshaus Nordrhein-Westfalens betrete. Hunderte Schmetterlinge leben hier auf einer 450 qm großen, mit exotischen Futterpflanzen ausgestatteten Fläche. 26 Grad, 80 % Luftfeuchtigkeit, eigentlich keine gute Idee, zumal ich ja meine Corona-Maske trage. Auch meine Kamera sagt mit vernebelter Linse “nööö”!

Morpho peleides, Himmelsfalter – Eryphanes polyxena – Papilio demodocus, Zitrus-Schwalbenschwanz

Trotzdem gelingen mir kurz vor Verlassen noch ein paar Schnappschüsse für Euch. Die Chinesischen Zwergwachteln, die ich gerne noch am Bachlauf fotografieren würde sind zu schnell und verschwinden zwischen Bambus, Bananenstauden, Hibiskus und Wandelröschen. Es wird Zeit an die Heimfahrt zu denken. Ich breche also ab und strebe dem Parkplatz zu.

Noch einmal der Wechselflor im Ausgangsbereich

Kurz vor dem Ausgang beginnt wieder der Wechselflor, den ich schon eingangs bewundert und Euch auch am Anfang dieses Posts gezeigt habe. Aber dieses Mal strebe ich dem Eingangsbereich auf der anderen Seite zu. Beim Betreten bin ich unmittelbar dem Hauptweg in die Piet Oudolf Stauden hinein gefolgt. Bei meiner Rückkehr bleibe ich außen vor, um zum Schluss auch noch die Fernwirkung der großflächigen Staudenpflanzung zu sehen.

Zinnia elegans ‘Caroussel’ – Pennisetum villosum, Weißes Lampenputzergras – Dahlia ‘Honka’

Der Wechselflor im vorderen Bereich wird jeweils im März und Mai neu gepflanzt. Im Frühling blühen hier unzählige Blumenzwiebel. Das erlaubt farbliche und gestalterische Variationen, die sich jährlich ändern können. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zur pflegeleichten Piet Oudolf Pflanzung. In den Wechsel-Pflanzungen sind in der Regel neun Pflegegänge der Gärtner notwendig, um ein attraktives Entreé zu garantieren. Aber die Arbeit auf den 1500 qm lohnt sich auf jeden Fall für die Besucher.

Auch wenn es inzwischen Spätnachmittag ist, ich möchte diesen sommerlichen Septembertag im Maxipark nicht missen. Die Piet Oudolf Pflanzungen und genauso der Wechselflor schienen mir am Punkt der höchstmöglichen Attraktivität angekommen zu sein und jetzt kann ich auch meine restliche mehrere hundert Kilometer Heimfahrt in Ruhe angehen. In meinem Kopf umtanzen biegsame Gräser blaue Salbeikerzen und Zinnien-Blüten, die steif wie Zinnsoldaten in den Himmel schauen. Im Hintergrund wogen die Piet Oudolf Stauden visuell in den Rasen hinein und – habe ich richtig gesehen, gaukelt der Malachitfalter wirklich nur in meinem Kopf über allem?

Maximilianspark Hamm

PLZ 57091 Hamm, Alter Grenzweg 2

Kontakt und Info: https://www.maximilianpark.de/

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14 Kommentare

  • Brigitte Schauer sagt:

    Wunderschön! Leider für mich am anderen Ende der Bundesrepublik…

    • Das Wurzerl sagt:

      Für mich auch liebe Brigitte, was innerhalb der Mitte einer Strecke für mich liegt, das plane ich meist als Zwischenstop, sonst kommt man in viele Ecken Deutschlands gar nicht. LG Wurzerl

  • Susanna sagt:

    Ein toller Beitrag, liebe Renate! Die Oudolf-Pflanzungen im Maxipark sind ein Genuss, im September sind sie für mich auf ihrem Höhepunkt. Vielen Dank, dass du mich noch einmal dorthin mitgenommen hast. Bemerkenswert finde ich, wie gut auch die älteren Teile noch gepflegt und erhalten sind. Das ist leider nicht bei allen älteren Oudolf-Pflanzungen der Fall …
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Susanna

    • Das Wurzerl sagt:

      Liebe Susanna, der Zustand ist vielleicht dem geschuldet, dass die Weiterentwicklungen auch von Oudolf angestoßen wurden und dass er wohl einmal jährlich kommt, Bestandsaufnahme und ein Workshop macht. LG Wurzerl

  • Marlene Finger sagt:

    wunderschön, jedem zu empfehlen. Ich werde mit meiner Familie diesen Park besuchen .
    💚❤

    • Das Wurzerl sagt:

      Jetzt ist noch eine gute Zeit dafür Marlene, wenn Du Kids dabei hast, dann gibt es da ein großes Paradies zum Toben im Maxipark, so kommen alle auf ihre Kosten. LG Wurzerl

  • Helma Willand sagt:

    Danke für diesen sehr informativen Bericht, liebe Renate! Ich mag diese Pflanzungen sehr, und seit ich im Schlosspark von Bad Driburg den Bereich von Piet O gesehen habe, noch mehr. Man nimmt tatsächlich einige Anregungen mit, auch wenn man zuhause nicht die entsprechenden Flächen oder Bodenverhältnisse hat. Hab ein feines Wochenende! Liebe Grüße aus dem Weser-Landhausgarten!

  • Hallo Renate,
    ich bin da ein wenig zwiegespalten. Es sieht ohne Zweifel beeindruckend aus, aber am Ende sind es doch eher Blüten für die Generalisten unter den Insekten. Außerdem hörte ich, dass er nicht an den Standort angepasst pflanzt, sondern immer sein Standardsortiment, das dann aufwendig nachgepflanzt werden muss, wenn das Klima oder der Boden nicht passt.
    Vielleicht sollte ich es mir mal selbst anschauen, Hamm ist ja nicht so weit weg.
    VG
    Elke

    • Das Wurzerl sagt:

      Hallo Elke, ja schau es Dir doch mal selbst an. Trotz der Größe, die sicher ohne riesigen Pflegeaufwand, nur mit einem robusten Standardsortiment klappt, das dann auch funktionieren muss, denke ich gibt es genug Wildblumenwiese, Obstwiesen und weitere Habitate für die Spezialisten unter den Insekten. Die Industriebrache wurde durchkartiert, bevor die “Äktsch’n” begonnen hat. LG Wurzerl

  • Marie Christine Wyrsch sagt:

    Danke für das erneute Einstellen dieses Artikels bei facebok.Schon im letzten Jahr habe ich ihn mit großem Interesse gelesen. Aber dieses Mal bestärkt er mich in meiner Absicht, endlich wieder dorthin zu fahren. Und zwar bald. Zuletzt waren wir 2003 in Hamm. Also vor der LaGa und den Neuanlagen der Oudolf Beete. Wir waren dort, weil sie dort im Oktober die Vielfalt der Kartoffeln feierten.Ich war beeindruckt von der Sortenfülle,die dort sehr dekorativ und anschaulich präsentiert wurde. Und vom Glaselefanten. Der Park aber hat keine Erinnerungsspuren bei mir hinterlassen. Umso mehr Piet Oudolfs Privatgarten, den wir ein Jahr später 2004 besuchten. 2024 ist also genau das richtige Jahr diese alten Erinnerungen mit neuen Eindücken aufzufrischen.Ich freue mich über Deine interessante Präsentaton dieses Parks liebe Renate.

    • Das Wurzerl sagt:

      Danke liebe Marie Christine und schau Dir unbedingt an der Kasse den wunderbaren Gartenführer an. Mit den herrlichen Fotos von Marion Nickig kannst Du Deinen Besuch in Hamm beliebig oft zuhause wiederholen. LG Wurzerl

  • Nicole Krause sagt:

    Ein toller und beeindruckender Park mit Geschichte, so vielfältig, so natürlich, einfach wundervoll. Danke für’s Vorstellen, liebe Renate.

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