Denke ich an Christopher Lloyd, dann fällt mir unwillkürlich das Zitat von Marcus Tullius Cicero ein:
„Hast Du einen Garten und eine Bibliothek, dann hast Du alles, was Du brauchst.“
Dieses Motto begleitet mich schon seit vielen Jahren. Christopher Lloyd, der Mit-Schöpfer des Gartens von Great Dixter, verbrachte tatsächlich ebenfalls einen Großteil seines Lebens zufrieden zwischen seinen Pflanzen und Büchern. Die Story über Great Dixter House & Gardens und die wichtigsten Protagonisten der Entstehungs- Entwicklungs- und Gegenwartsgeschichte möchte ich Euch heute gerne erzählen.
“Horse Pond”, das Herrenhaus und Nathaniel Lloyd
Sobald ich den Wegweiser nach Great Dixter entdecke, wird mein Schritt schneller und schneller. Ehrlich gesagt, ich gönne dem großen Teich mit dem Namen Horse Pond, der links vom Gartenzugang liegt, kaum einen Blick, ich habe es eilig! Trotzdem beginne ich meinen Besuch stets an diesem Teich. Der lichte Wasserspiegel, bedrängt von Seeroseninseln, ist eingerahmt von natürlicher Vegetation, unterbrochen von dominanten Gruppen von Gunnera tinctoria und Gunnera manicata, die ungebändigt riesengroß, königlich am Ufer thronen.
Es gibt ab hier 2 Möglichkeiten den Garten zu erkunden. Ein Weg führt an das östliche Gartenende in den Prärie- und Gemüsegarten. Von da geht es weiter über den High Garden, meiner hier beschriebenen Strecke rückwärts bis zum Senkgarten und Haus folgend. Ich bevorzuge mit Euch die umgekehrte Richtung, gegen den Uhrzeigersinn, einzuschlagen und kehre darum zum Eingangsweg zurück, der direkt auf das Herz des Hauses zuführt. Die innige Intimität von Haus und Senkgarten lenkt uns hinaus zur immer natürlicher wirkenden Freiheit der dynamischen Gartenräume.
Berühmt ist schon allein der Eingangsbereich zum Haus. Der exotische Topfgarten sieht, wie Großteile der Beete, jedes Jahr anders aus und ist ein Zeichen für permanente Veränderung. Topfgarten-Arrangements finden sich in vielen Gartenteilen von Great Dixter. Sie sind eine attraktive, mobile Bereicherung. Die Eingangslaube mit der gleichbleibenden Beständigkeit zweier schneckenhausförmig geschnittener Buxus- Kugeln ausgestattet, bildet ganzjährig, aber vor allem im Winter, eine lebendige Konstante. Während der Saison drapieren sich rund um die beiden Immergrünen Dutzende Töpfe und Kübel zum für meinen Geschmack schönsten Topfgarten ever! Bevor wir weitergehen, schauen wir doch kurz zurück in das Jahr 1909.
Nathaniel Lloyd kaufte „Dixter“ in Northiam 1909 und beauftragte keinen geringeren als den Architekten Edwin Lutyens, das Haus zu restaurieren und zu vergrößern. Zwischen 1910 und 1912 entstand aus dem vorhandenen Haus (Mitte 15.Jhdt.), einem zweiten Gebäude eines früheren Freibauern aus Benenden (frühes 16. Jhdt.), unter Einbindung eines dritten Hauses, das Lutyens entwarf und ausführte und das sich zusammen mit den beiden mittelalterlichen Gebäuden zu einem prächtigen Ensemble zusammenfügte, das neue Dixter, das seit der Umgestaltung „Great Dixter“ genannt wurde. Wohl kaum jemand würde vermuten, dass diese stimmige Anlage aus drei verschiedenen Häusern besteht. Die Besichtigung der romantischen Nachbildung eines mittelalterlichen Herrenhauses mit Rittersaal, Salon und Gartenzimmer ist für mich ein Muss – ein herrlicher Kontrast zum „wildschönen“ Garten.
Solar Garden, Wall Garden, Barn Garden, Sunk Garden und Sir Edwin Lutyens
Zum Areal Great-Dixters gehören noch drei Hopfen-Darren aus dem 18. Jahrhundert, ein alter Kuhstall und die Scheune aus dem 15. Jahrhundert. Sir Edwin Lutyens, der aus der Arts & Crafts Bewegung kam, sich später aber mehr am Klassizismus orientierte, liebte es, lokalen Materialien den Vorzug zu geben und Historisches zu erhalten. So wurden von ihm die Nutzbauten geschickt innerhalb eines Wege-Netzes im Garten integriert, die Höhenunterschiede des Areals gefällig überbrückt und mit Hilfe von Backstein-Mauern und Eiben-Hecken Gartenräume geschaffen. Ausschließlich Yorkstein-Pflaster ist das verbindende Element bei Wegen, Terrassen und den Plattformen. Er führte auch die berühmte konkave und konvexe Treppenanlage in diesem hellen Material aus. Die Gestaltung des Hang-Geländes, das nach Süden flach ausläuft, ist dem Architekten hervorragend gelungen. Viele Stellen im Garten ermöglichen einen Blick auf das Herrenhaus mit seinem auffälligen Ziegeldach, das wiederum eine Material-Verbindung zu den landwirtschaftlichen Gebäuden darstellt.
Great Dixter liegt keine 20 km vom Ärmelkanal entfernt, Schiefer und Lehm haben sich dort zum fruchtbaren Wadhurst-Ton zusammengetan, darunter sind wasserdurchlässige Sandsteinschichten. Zahlreiche Quellen sorgen für die Wasserversorgung. Was lag näher, als hier, wo es lediglich Wiesen und Obstbäume gab, einen Garten anzulegen? Nathaniel Lloyd, Daisy Lloyd und Edwin Lutyens kreierten diesen Garten. Vieles vom Konzept von Edwin Lutyens hat bis heute Bestand.
Ich laufe den Weg zwischen Solar Garden und Wall Garden entlang bis zum für mich geschlossensten, intimsten Gartenensemble Great Dixters, dem vom Barn Garden umrahmten Sunk Garden. Durch eine Maueröffnung, einige Stufen abwärts, gelange ich in den Wall Garden (Mauergarten). Das Oast House (die frühere Hopfendarre) bildet einen attraktiven Hintergrund. Es ist die Fortsetzung der Scheune (Barn) und die spezielle Dachform ist nicht zu übersehen. Ursprünglich war hier Rasen. Christopher Lloyd ließ Töpfe und Kübel aufstellen und ein Kieselmosaik anlegen, das seine Dackel Canna und Dahlia zeigt. Annuelle Selbst-Versamer und Kletterkünstler wurden auch hier gefördert. Dann stehe ich am Eingang zum Senkgarten! Bitte nicht lachen, aber meist betrete ich ihn andächtig und leise auf Zehenspitzen.
Ursprünglich hatte Lutyens den Barn Garden als große Rasenfläche ausgeführt. Nach dem ersten Weltkrieg legte Nathaniel Lloyd vor der großen Scheune den „Sunk Garden“ (Senkgarten) an. Im Zentrum ruht ein Seerosenbecken, das von einer überschäumenden stufig angeordneten Umpflanzung aus Gehölzen, Kletterpflanzen, Stauden und Annuellen umrahmt wird. Der Boden rund um das Achteck-Becken wird großräumig vom neuseeländischen Stachelnüsschen, Acaenae novae-zelandiae weichgezeichnet. Es sitzt überall in den Ritzen und Fugen und nimmt der geometrischen Anlage die Strenge. Ab Juli schmuggeln sich die Blüten des gelben Hornklees, Lotus corniculatus zwischen die roten Samenstände der Stachelnüsschen. Die geschnittenen Hecken mutieren teilweise in Kulissenhöhe, mit ausdrucksstarker Wirkung.
Der Barn Garden (Scheunengarten) umgibt den Senkgarten und ist vor allem im Hoch- und Spätsommer ein blühendes Feuerwerk aus Dahlien, Kniphofien, Begonien und Erigeron. Gräser bringen ihre filigrane Wirkung ein und die Sommerblumen und auffälliges Blattwerk, wie bei den Buntnesseln, verbreiten ein bis weit in den Herbst hinein andauerndes starkes Hochsommer-Feeling. Rosen, Buchsbäume und Zwergmispeln fügen sich ganz natürlich ein.
Blue Garden, Upper Moat, Topiary Lawn, Nursery, Exotic Garden und Daisy Lloyd
Der Weg führt weiter neben dem Blue Garden, die Hausseite entlang, einige Stufen nach unten zur offenen Loggia, von der aus man einen wunderbaren Blick auf die Topiary Lawn genießt. Deren alterwürdige Eiben-Gebilde sind von Nathaniel Lloyd gepflanzt und geformt worden. Auch wenn der Rasen nach dem frischen ersten Rückschnitt total unattraktiv aussieht, so zeigen die Bilder ungewollt Nathaniels damaliges Denken, die Formschnitt-Gehölze in kurzgehaltenen Rasen einzubetten. Sein Sohn bevorzugte jedoch eine Wildblumenwiese. Hier, frisch gemäht, hat man allerdings das Gefühl der ursprünglichen Präsentation der Eibenfiguren. Am reizvollsten ist der Figurengarten, wenn die dazwischen befindlichen Perückensträucher, Cotinus coggygria, ihre unorthodoxen Blüten- und Samenstände aus dem Holz herauskatapultieren und mit der hohen Wildblumenwiese und den frisch geschnittenen Eiben eine spannende Verbindung eingehen. Die Hecken- und Figuren-Schnitte in Great Dixter erfolgen einmal jährlich zwischen September und November. Die Wiesenmahd erfolgt zweimal jährlich und alles kommt in den natürlichen Kreislauf des Gartens zurück.
Während sich Nathaniel Lloyd hauptsächlich für Topiary interessierte und ein Buch über „Formschnitt“ publizierte, liebte Daisy Lloyd den naturalistischen Stil von William Robinson, den sie in Gravetye Manor, West Sussex, schätzen gelernt hatte. Im trockengelegten Wassergraben, neben der Topiary Lawn legte sie ihre erste Wildblumenwiese unter Einbeziehung heimischer Orchideen an. Sie bestückte die Beete mit Zierpflanzen und duldete dort auch gerne die Eigendynamik von sich aussäenden Stauden und Annuellen, genauso wie in Mauerritzen und Weg-Zwischenräumen. Ihre bunte, blumig natürliche Art zu gärtnern beeinflusste ihren jüngsten Sohn Christopher schon im Alter von 6 Jahren. Gehölzsäume, Wiesen, Teichufer mit Wildwuchs, der sich überall in den Garten “einschmuggeln” darf und Beete, deren Pflanzen einfach „ausbüxen“ und umziehen dürfen, sind von Daisy Lloyd für die naturalistische Charakteristik Great Dixters innerhalb des von Lutyens vorgegebenen Gerüstes genutzt worden.
Ich besuche kurz die Gärtnerei (Nursery). Achtung – Kopf einziehen! Über der niedrigen Tür ist ein Warnschild, die Menschen waren damals offenbar noch kleiner als ich! Plötzlich stehe ich vor einem völlig identisch aussehenden Nachkommen von Christopher Lloyds Dackeln. Dann gehe ich zurück zum Kuhstall, der als Eingang zum exotischen Garten fungiert. Lutyens hatte hier ursprünglich einen Rosengarten mit 10 Beeten angelegt, der auf drei Seiten von Hecken eingerahmt ist und auf der vierten Seite vom Kuhstall begrenzt wird.
Exoten kombiniert mit einheimischen Pflanzen waren schon immer eine auffällige Spezialität in Great Dixter. Als die Rosen ihm langsam wegen Überalterung ein Dorn im Auge wurden, folgte Christo (so nannten ihn seine Freunde) seinem Impuls für extrovertierte, dynamische Pflanzungen und ersetzte den Rosengarten durch einen tropisch anmutenden Dschungelgarten mit Bananenstauden (Musa), Reispapierbaum (Tetrapanax papyrifer) Indischem Blumenrohr (Canna), Dahlien, Papyrus, Zieringwer (Hedychium), Neuseeland-Flachs (Phormium) und einigem mehr.
Im Spätsommer wirken die Gelb-Rottöne im Exotengarten am intensivsten. Obwohl ausgemachte Rosenfreunde das erst einmal schlucken mussten, wurde dieser Garten schnell eines der extraordinären High-Lights auf Great Dixter. Exotische Pflanzen standen plötzlich vermehrt im Interesse der Öffentlichkeit und sogar die Dahlien feierten einen erneuten Höhenflug, nicht nur in England. Interessant scheint mir nach meinem ersten Besuch in diesem Garten, dass es darin farblich bis heute deutlich ruhiger wurde. Inzwischen dominiert die Spannung zwischen den interessanten, unterschiedlichen Blatt-Texturen, die von den Farben grün, silber und weiß getragen werden.
Christopher Lloyd, Konkav-Konvex Treppen, Orchard und Long Border
Great Dixter war ja Christopher Lloyds Elternhaus, in dem er 1921 geboren wurde und bis zu seinem Tod 2006 lebte. Als jüngster Sohn fing er schon mit 6 Jahren an, neben seiner Mutter im Garten tätig zu werden. Als Daisy Lloyd 1979 starb, hatte er den Garten bereits mit seiner extrovertierten Art zu gärtnern spürbar verändert. Seine Erfahrungen im Garten und der Gärtnerei hielt er im Notizbuch fest und begann seine jahrzehntelange Gartenautoren-Tätigkeit. Diese machte ihn weit über die Britische Insel hinaus bekannt und er renommierte schnell zu Recht zu einer der großen Garten-Persönlichkeiten in Großbritannien. Mit Beth Chatto verband ihn eine langjährige Freundschaft.
Christo beherrschte es souverän eine Pflanzung gleichzeitig zu dirigieren und zu bändigen, ihr aber dennoch auch freie Entfaltung und Spontanität zuzugestehen. Eine natürliche Wildheit entstand so in seinen Beeten, die niemals aus dem Ruder geriet und immer interessant blieb.
Nicht weit vom Dschungel entfernt steht ein altehrwürdiger Maulbeerbaum, gerade so weit entfernt, dass das Treppenareal an der unteren Terrasse im hellen Tageslicht bleibt, was für die Sonnenanbeter in den Nischenbeeten Gold wert ist. Die architektonische Meisterleistung der Konvex-Konkav-Treppen ist von Lutyens erdacht worden. Wer sonst sollte dem ehemaligen Yorkstein Straßen-Pflaster von London eine solche Eleganz verleihen können?
Ich steige jedes einzelne Treppenteil genüsslich nach oben, schaue über die Wiesen hinaus in die Landschaft, um mich dann oben am östlichen Hausende angekommen, dem hier beginnenden Long Border zuzuwenden. Die unterschiedlichen Höhen sind mit einer langen Mauer gut abgefangen. Auch hier gibt es keine harten Übergänge und Grenzen. Blaukissen (Aubretia) und Spornblumen (Centranthus ruber) drapieren sich wie Vorhänge über die Steine.
Long Border, High Garden, Gemüsegarten, Peacock Topiary und Fergus Garrett
Die berühmte Lange Rabatte, das Long Border, ist 60 m lang und 4,5 m breit. Ehrlich gesagt bin ich jedes Mal so intensiv mit der Pflanzen-Vielfalt, den interessanten Farb- und Formen-Kombinationen beschäftigt, dass ich regelmäßig den Aufgang zum Orchard Garden verpasse und fasziniert bis auf den letzten Dezimeter bis zur Grundstücksgrenze und damit bis zum Ende des Long Borders konzentriert bei den abwechslungsreich kombinierten Pflanzpartnern bleibe. Eigentlich müsste ich das Long Border mindestens dreimal in einem Vegetationsjahr besuchen, denn die Blühabfolge ist so perfekt inszeniert, dass von Ende April bis weit in den Oktober hinein eine attraktive Qualität geboten wird.
Jeder Quadratmeter wird intensiv für die Bepflanzung genutzt, keine Chance nackte Erde zu sehen. Die violette Clematis sucht sich den Weg nach oben über ein Gehölz. Der weiß herausstrahlende Sternenkranz im Inneren wird betont durch die gleiche violette Farbe der Kerzenblüte einer Agastache, deren Sorten-Name ich nicht kenne. Eine Auflösung des Ganzen erfolgt durch die weißblühende Anemone ‚Honorine Jobert‘ im Hintergrund. Und glaubt mir, es gibt im Laufe des Jahres allein auf dem einen beschriebenen Quadratmeter, den Ihr oben auf dem Senkrechtfoto betrachten könnt, noch um einiges mehr zu sehen.
Endlich gehe ich zum Aufgang des Orchard Garden, weiter zu den Stufen, die in den High Garden führen, wende mich aber erst nach rechts, um in den Präriegarten und den Gemüsegarten zu gelangen. Nein, ich bleibe dort nicht lange, zu fasziniert bin ich vom High Garden und dem Peacock Topiary. Das „Peacock Topiary“ bekam seinen Namen durch 18 geschnittene Pfauen, welche die Eiben-Hecken toppen. Der Obere Garten und der Pfauengarten bilden das „wilde Herz“ im Nordosten und sind die am imposantesten wirkenden Gartenteile. Ich sehe sie als Kontrast zum „intimen Herz“ im Nordwesten, dem Scheunen- und Senkgarten. Mit großer Pflanzenkenntnis kreierte Christopher Lloyd auf seiner „Spielwiese High Garden“ einen eigenen Pflanz-Stil, den er selbst als seinen: „typischen Lloyd-Mix“ bezeichnete. Seine gewagten Farbmischungen waren Zukunftsmusik. Das Spontangärtnern mit vielen Annuellen, die sich selbstbewusst zwischen Gehölzen und Stauden einnisten, was man heutzutage als „Black Box Gardening“ bezeichnet, waren für ihn genauso selbstverständlich, wie der Anspruch, dass 12 Monate im Jahr im Garten durchgeblüht werden musste. Bei seinen perfekten Pflanzkombinationen experimentierte er auch mit einer spannenden Formensprache der Blätter und Wuchsformen, um die Beete zu strukturieren und so lange wie möglich attraktiv zu halten. Perfekt sind die beschnittenen Eibenhecken, die diese expressiven Pflanzungen mit zinnenartigen oder gewellten Abschlüssen zusammenhalten.
Seit Jahrzehnten ist Fergus Garrett in die Gestaltung des Gartens mit eingebunden. Auf Anraten Christopher Lloyds, arbeitete Garrett 8 Monate lang für Beth Chatto. Während er in Frankreich 2 Jahre lang in privaten Gärten arbeitete, hielt er den freundschaftlichen Kontakt zu Lloyd aufrecht. 27jährig trat er schließlich dem Gärtner-Team von Christopher Lloyd bei. Sehr schnell schwappte dessen ungebremste Kreativität auf Fergus über. So ist es kein Zufall, dass er seit 1992 als Obergärtner in Great Dixter fungierte. In enger Zusammenarbeit mit Lloyd führte Garrett viele Neuerungen ins Pflanz- und Gestaltungskonzept ein. Er wurde nicht nur zum Head Gardener Great Dixters, Christopher Lloyd betrachtete ihn wie seinen Sohn und Erben.
Der Garten gewann schnell zusätzliche impulsive Energie und mutierte innerhalb weniger Jahre zu einem höchst modernen Garten, der mit Leichtigkeit und exaltierter Impulsivität in meinen Augen zu einem der spannendsten Gärten Großbritanniens wurde. „Black Box Gardening“ gab es schon zu Zeiten von Daisy Lloyd. Die Pflanzenkombinationen und Farbenpaletten, so verrückt sie auch schienen, sie sind immer in das altbewährte Gerüst von Edwin Lutyens eingebettet, das zum „experimentieren“ einlädt. Aber auch Nathaniels Leidenschaft für Topiary ist bis heute für die Nachwelt erhalten und geschickt in Neues eingebettet worden.
Die Raffinesse der Garten-Bepflanzung von Fergus Garrett übertrifft laut Fachwelt tatsächlich die von Christopher Lloyd. Fergus frühes Eintreten für ökologische Bildung, Biodiversität und den Verzicht auf den Einsatz von chemischen Mitteln zum Düngen und zur Schädlingsbekämpfung galten als wichtiger Weg in die Zukunft. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle daran erinnern, wie Prince Charles, der heutige König Großbritanniens, dessen Krönung unmittelbar bevorsteht, belächelt und kritisiert wurde, als er genau diese Dinge propagierte und schon vom beginnenden Klimawandel sprach, als es weltweit noch kaum jemand zur Kenntnis nehmen wollte. Fergus Garrett gärtnert bis heute in Great Dixter im Sinne des Königs und seines Mentors Christopher Lloyd. Letzterer begeisterte sich über die Uneigennützigkeit seines Head Gardeners und schrieb: „Solange er an der Spitze steht, habe ich keine Sorge um Great Dixter. Seine permanente Suche nach neuen Empfindungen von Farbe und Textur sind der Schlüssel eines anmutigen Fortschritts durch die Jahreszeiten.“ Dieses Urvertrauen bestärkte Christopher Lloyd die Geschicke seines Gartens nicht dem English Heritage oder dem National Trust zu übertragen. Er fürchtete, der Garten würde stagnieren und ähnlich Sissinghurst für lange Zeit in einen Dornröschen-Schlaf verfallen und seinen impulsiven Charme verlieren. So wurde Garrett nach Lloyds Tod 2006 zum Chief Executive des Great Dixter Charitable Trust ernannt und führt seitdem den Garten gewohnt wandelbar weiter, als würde Lloyd, wie früher an seiner Seite schreiten, um mit ihm weiter zu planen. Inzwischen ist auch Fergus Garrett mit Ehrungen in der Fachwelt überhäuft worden und wer den Garten heute besucht, der versteht, warum!
Der Garten von Great Dixter wird nie aufhören ein lebendiger Ort zu sein, solange Fergus Garrett ihm vorsteht, möge er irgendwann einen so begnadeten Nachfolger finden, wie Christo ihn in ihm gefunden hat.
Christopher Lloyds Empfehlung für Menschen, die nach Inspirationen für das Anlegen, oder Verändern ihres eigenen Gartens suchen ist ganz einfach:
„Gehen Sie mit offenen Augen durch fremde Gärten und halten Sie interessantes in ihrem Notizbuch fest“.
Mein persönlicher Rat: „Wenn Sie Ihr Weg nach Großbritannien führt, dann fangen Sie auf jeden Fall in Great Dixter damit an“. Die untenstehenden Daten öffnen Ihnen die Türen zu:
Great Dixter Gardens
Northiam, Rye, East Sussex TN31 6PH, Großbritannien
Kontakt: office@greatdixter.co.uk
Website für Eintritt und Öffnungszeiten etc.:
https://www.greatdixter.co.uk/
Persönliche Daten und historische Fakten, die ich nicht wusste, entnahm ich dem offiziellen Gartenführer: „Eine Führung durch Great Dixter“ von Christopher Lloyd und Charles Hind. Dem Wunsch der Verwaltung, keine Fotos aus dem Inneren des Hauses zu zeigen bin ich selbstverständlich nachgekommen.
12 Kommentare
Ach was für eine Augenweide. Spannend und inspirierend zugleich und ich habe neue Ideen. Ob und wie ichsüchtig umsetzen kann. ? Man wird sehen
Danke für diese wieder so gelungene Vorstellung liebe Renate
Hihi, süchtig kann man nach dem Garten auch werden liebe Christa. LG Wurzerl
Wieder so ein schreibprogramm Fehler und ich nicht aufgepasst. Aber man kann wirklich süchtig werden Nach solchen schönen Gärten
Hihi
Ach wunderbar, da werden Erinnerungen wach und Du hast das, wie immer, gar vortrefflich ge- und beschrieben. Allerdings lautet mein Rat an Englandreisende eher – fangt auf keinen Fall mit Great Dixter an ;-), dann seid ihr verdorben für alles was noch kommt.
Früher versuchte ich immer erst Sissinghurst und dann Great Dixter anzuschauen, im zweiten Garten wurde ich dann aufgeweckt. GsD hat sich der neue Head Gardener in Sissinghurst endlich besonnen und ist da, wo es sinnvoll ist, von den alten Pflanzplänen weggegangen. Mit den Jahreszeiten-Gartenzimmern waren ja eigentlich durchweg ganze Räume einen Teil des Jahres unattraktiv. Da hat sich viel geändert. Dagegen ist Great Dixter wie immer – nämlich jedes Mal anders und spannend. LG Wurzerl
„Long Border“….., liebe Renate, so werde ich recht tollkühn demnächst unser schmales langes Beet gegenüber der Veranda nennen 😉😊. Aber Spaß beiseite: es war wieder einmal sehr schön, mit Dir durch einen großartigen Garten zu streifen: danke 😍!
Liebe Helma, da brauchst Du nicht tollkühn sein, Dein langes Zaunbeet ist ein Long Border, gut, ich gebe zu, wenn Du den Begriff benutzt, solltest Du vielleicht Deinen Garten dann auch in Cottage Garden umtaufen, auch das wäre völlig korrekt. Und weil wir gerade in Great Dixter sind – yes, Fachwerkhäuser haben sie auf der Insel auch! LG Wurzerl
Ein großartiger Garten mit viel (Garten-)geschichte, liebe Renate. Ich könnte sofort los und noch einmal nach England fahren …
Liebe Grüße
Susanna
Ich komme sofort mit LG Wurzerl
Ich war noch nicht dort Das markante Gebäude erkennt an immer wieder.
VG
Elke
Schon ist die Sehnsucht wieder da, nach diesem einzigartigem wunderbarem Garten. Die unzähligen Ladybird Poppys im Senkgarten; in der Long Border habe ich mein Herz verloren.
Mir ging es genauso liebe Ulrike. LG Wurzerl