Die Lage
Um es gleich vorwegzunehmen, Cliveden hat sich nicht von seiner besten Seite gezeigt. Ich liebe Gärten, die eine Handschrift tragen und aus einem Guss sind, wobei mir schon ein durchgehender roter Faden reicht. Das konnte ich aus mehreren Gründen in diesem weitläufigen Park nicht finden. Mein Besuch im Jahre 2013 fand zur undankbaren Übergangszeit statt, in der Frühlingsblumen noch auf das Entfernen warteten, oder nicht blühende Jungpflanzen gerade gesetzt worden waren. Da können weder Parterre, noch formale Gärten punkten. Wegen des Zeitmangels habe ich das Labyrinth und den Secret Garten nicht besuchen können. Da beides ein Jahr später einer Total-Renovierung unterzogen wurde, hätte ich da sicher auch keine aussagekräftigen Fotos machen können. Letztlich spielt auch eine Rolle, dass das Haus inzwischen ein Hotel ist, so ist der Gesamteindruck etwas gespalten. Trotzdem finde ich den Park wichtig und möchte ihn Euch nicht vorenthalten. Denn es spricht vieles für Cliveden, zum Beispiel seine herrliche Lage auf einem Kreidefelsen über der Themse oder das architektonisch wichtige Bauwerk im Italianate-Stil und die selten gewordenen Renaissance-Gartenschöpfungen, wie dem Parterre.
Das Herrenhaus Cliveden liegt wunderschön 40 Meter oberhalb der Themse. Zum Landbesitz gehören auch die im Fluss befindlichen Inseln Bavin’s Gulls. Die Anlage ist im Besitz des National Trusts, der das Gebäude als 5 Sterne-Hotel vermietet hat. Das mindert etwas den Genuss des Parks. Denn natürlich gibt es visuelle Einschränkungen durch Auffahrten und Parkplätze und dem aus diesem Grunde durch eine Straße separierten neueren Wassergarten. Kommt man dann auch noch mit einem Bus an, so ist das Flair wirklich gewöhnungsbedürftig.
Aber, Individual-Reisenden kann ich da einen guten Tipp geben, um diesen Park bestmöglichst zu genießen. Dazu muss man allerdings gut zu Fuß sein. Denn direkt vom Themse-Ufer führen 170 steile Stufen nach oben. Die Belohnung ist der Aufenthalt in einer wunderbaren Landschaft und letztlich der schönste mögliche Blick auf Cliveden House.
Das Haus
Das heutige Herrenhaus und Landgut ist bereits das dritte Haus an dieser Stelle. Ursprünglich gab es zwei Vorläufer, 1666 und 1824 erbaut, die beide durch Feuer zerstört wurden. Ein achteckiger Tempel von 1735 und der Blenheim-Pavillon, 1727 erbaut, sind noch zwei erhaltene Relikte aus der alten Zeit. 1851 wurde das jetzige, denkmalgeschützte Gebäude vom Architekten Charles Barry, für den 2. Duke of Sutherland im Italianate-Stil gebaut. Die Bewohner, ein Graf, drei Comtessen, zwei Herzöge, ein Kronprinz und letztlich die Barone von Astor prägten die Gestaltung von Haus und Garten in unterschiedlicher Weise.
William Waldorf Astor erwarb Cliveden 1893. 1906 war es sein Hochzeitsgeschenk an seinen Sohn Waldorf Astor. Als Nancy Astor hier residierte, war das Gebäude in den 1920er und 30er Jahren der Treffpunkt einer Gruppe politischer Intellektueller, des Cliveden Set, die maßgeblich die Appeasement-Politik gegenüber den faschistischen Staaten betrieben. Während der 1960er Jahre war es dann der Schauplatz für Schlüsselereignisse der Profumo-Affäre. Der britische Heeresminister John Profumo lernte auf Cliveden während einer Pool-Party das Mannequin Christine Keeler kennen. Keeler hatte einen Prostitutionsring mit Stephen Ward zusammen aufgezogen. Der politische Skandal um Profumo (1962/63) beendete das Verhältnis schon nach wenigen Wochen. Die Stanford University in Kalifornien nutzte das Anwesen während der 1970er Jahre als Übersee-Campus. Seit es dem National Trust gehört, wird es als 5-Sterne-Hotel genutzt und kann eingeschränkt bei Führungen besichtigt werden.
Nahe der Parkplätze befinden sich die ehemaligen Ställe, in denen heute Videos über das historische Leben in Haus und Garten (nur auf englisch) gezeigt werden. In der Orangerie bewirtschaftet der NT ein Cafe.
Der Garten – das Parterre
Über den Duke’s Garden betrete ich die Südterrasse des Hauses. Zuerst habe ich meine Augen am Boden, denn natürlich möchte ich keine Ritzenbewohner, wie diese Campanula, Glockenblume, kaputt treten. Wenn ich in Richtung Haus schaue, so sehe ich unter anderem die kunstvollen schmiedeeisernen Arbeiten an den Terrassentüren. Als ich mich umdrehe bietet sich mir ein erster atemberaubender Blick auf das Ensemble des Parterre.
Als der Herzog von Sutherland 1849 Cliveden gekauft hatte, verpflichtete er den viktorianischen Gärtner John Fleming als Head Gardener um die damals vorhandene monotone Rasenfläche in beeindruckender Weise zu einem Riesen-Parterre zu gestalten. John Fleming war ein Glücksgriff und die Sutherlands übernahmen 1853 seinen Entwurf für die Umgestaltung der ausschließlichen Rasenfläche. Insgesamt 16 keilförmige Beete, je 8 auf beiden Seiten, die harmonisch ineinandergreifend, durch Kastenhecken und Eibenformschnitt gegliedert sind, setzen sich beeindruckend im großzügigen Rasenparterre zur Schau. Das Nordende ist mit einem schmalen Halbkreisbeet und einer Skulptur auf einem Stufensockel eine würdige, ruhige Abrundung des 6 ha großen Areals.
John Fleming schuf ein farbiges Frühlings- und Sommerblumen-Konzept. Wie schon geschrieben, bin ich leider genau in der Umpflanzphase nach Cliveden gekommen. Die Entwürfe für dieses Bänder- und Teppich-Parterre waren seinerzeit so genial, dass hier Gartenausstellungen stattfanden und damit dieses Pflanz-Konzept weltweit in Mode kam. Auch heute noch wird in Cliveden im Stil des viktorianischen Obergärtners Fleming 2 x jährlich gepflanzt.
Als William Waldorf Astor 1893 das Haus erwarb ließ er die Balustrade der Terrasse der Villa Borghese in Rom importieren und unterhalb der Haus-Terrasse im Park installieren. Damit wurde der Italianate-Stil des Hauses auch in den Garten getragen (schwerpunktartig in das Parterre und den Langen Garten) und ein genialer Zusammenhang zu den Gebäuden hergestellt.
Der Rahmen , Hecken , Alleen , Landschaft und Wald
Auch wenn die formalen Gartenteile und der reiche Statuen-Schmuck entscheidend das Park-Bild vor allem rund um das Gebäude prägen, so sollte man sich nach Möglichkeit auch nicht so herausgehobene Gartenteile und vor allem die Landschafts- und Wald-Gestaltung gönnen. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe Wald-Gebiete, Woodlands, die den Park in paralleler Richtung zur Themse in verschiedene Parzellen gliedern, um schließlich im Norden ganz in einem naturnahen Gehölz-Bereich aufzugehen.
Bereits um 1760 ließ der Herzog von Buckingham die unfruchtbaren Klippen oberhalb der Themse in Gärten und Wälder verwandeln, indem er tonnenweise magere Erde durch fruchtbaren Lehmboden ersetzen ließ.
In den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts arbeitete der bekannte Gartengestalter Charles Bridgeman im Park und ließ Eiben-Allen und im Stechpalmenhain immergrüne Eichen für Lord Orkney pflanzen. Schnurgerade Spazierwege und akkurat gestutzte Hecken waren zu dieser Zeit Mode. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts wurden dann die natürlichen Landschaftsgärten entdeckt und so ließ man die Hecken einfach verwildern.
Heutzutage spielt man im Park mit den spannenden Kontrasten von wogenden hohen Gräsern und Wildblumen neben makellosem Rasen. Besondere Solitär-Gehölze, wie der oben gezeigte Taschentuchbaum, Davidia involucrata, ziehen die Blicke auf sich.
The Long Garden – der Lange Garten
Lord William Waldorf Astor war es, der hier seine italienischen Inspirationen ab 1896 hauptsächlich mit zwei langen schmalen Mittelbeeten und einer Reihe Kletterpflanzen entlang der Begrenzungsmauer auslebte. Gerade hier im Langen Garten wollte er einen Großteil seiner vielen italienischen Reise-“Souveniers”, wie Statuen, Sarkophage und Urnen präsentieren.
Ich möchte gerne die markanten Marmorfiguren Nautica und Marco Polo vorstellen. Die venezianischen Statuen aus dem 18. Jahrhundert haben mich ob ihrer Charakteristik und Qualität sehr beeindruckt. Aber genauso angetan war ich von dem schlichten Gefäß, aus der römischen Antike stammend, das zusammen mit dem Sockel ein gliederndes Schmuckelement von 3 m Höhe bildet.
In der Gartenmitte befinden sich an den Beet-Kanten interessante Figuren aus der Commedia dell’Arte – wer kennt sie nicht Columbina, Pantaleon, Beatrice oder Arlecchino? Auch 2 altägyptische Paviane haben hier ihren Platz gefunden.
Wie oben erwähnt, hatte Lord Astor 2 rechteckige Beete anlegen lassen. Sein Sohn und die Schwiegertochter Nancy modifizierten diesen Entwurf und so gibt es heute 4 längliche Beete zu sehen, mit einem großen zentralen Bereich. Nancy Astor arbeitete in den Zwischenkriegsjahren eng mit Norah Lindsay zusammen und entwickelte mit ihr Stauden-Pläne für den Long Garden. Die zentralen Beete sollten besonders in der Ascot-Woche für Furore sorgen. In der Mitte leuchteten rote, gelbe und orangefarbene Blüten, die zu den Rändern hin zu Rosa, Creme und Mauve verblassten.
Während die vier rechteckigen Beete in der Mitte des Langen Gartens genau wie das Parterre einen Frühlings- und Sommerflor präsentieren, jedoch nicht mehr im Stil von Norah Lindsay, ist das Mauer-Randbeet mit Stauden, Gehölzen und vor allem Kletterpflanzen als buntes Mixed Border in Dauerbepflanzung angelegt.
Auch in den Langen Beeten war “Pflanzen-Schichtwechsel” angesagt, aber die exakten Topiary Schnitte und italienischen Statuen, sowie die Bepflanzungen im Mauer-Beet und am Gehölz-Saum gegenüber, entschädigten mich reichlich.
Water Garden – Der Wassergarten
Am südlichen Ende des Long Gardens schließt sich der Liebesbrunnen, The Fountain of Love an. Er ist Teil einer Sichtachse, die direkt an der Rückseite des Hauses endet. Während ich die vielen Kiosks, Coffee Houses und Shops linkerhand ignoriere, steuere ich meinen zeitlich letztmöglichen Besichtigungspunkt an, den Wassergarten, The Water Garden.
Der heutige Wassergarten hat nichts mehr mit dem ursprünglichen Ententeich zu tun, der den Anstoß für William Waldorf Astors Japanischen Garten darstellte. Inzwischen ist der Garten orientalisch inspiriert und die Gärtner versuchen ihn von der Frühlings-Bepflanzung bis hin zur Herbstfärbung des Laubes das ganze Jahr attraktiv zu gestalten.
Das Interesse am Orient war an der Wende zum 20. Jahrhundert besonders groß. Diese neue Mode inspirierte William Waldorf Astor dazu, einen Raum sowohl für Besinnung als auch zur Unterhaltung seiner Gäste zu schaffen. So wurde auf dem Teich im Winter Eislaufen ermöglicht und im riesigen nahe gelegenen Cliveden Labyrinth konnte man sich “verlaufen und wiederfinden”. Das Labyrinth habe ich nicht gesehen, da es im Besichtigungs-Plan unserer Reisegruppe nicht eingezeichnet war. Sicher fürchtete unsere Reiseführerin, dass der eine oder andere von uns nicht pünktlich zum Bus finden würde. Das Labyrinth ist eine exakte Nachbildung der Anlage, die 1894 für den 1. Viscount Astor erbaut wurde. 2011 war die Neueinweihung für die über 500 m lange Wegstrecke, die mehr als 1000 m Stahlkanten und 120 Tonnen Kies verschlungen hat. Für die dichten Formschnitt-Eibenhecken wurden fast 1100 Eiben gepflanzt.
Im Herzen des Wassergartens steht eine sechsseitige chinesische Pagode, die eigentlich für die Pariser Weltausstellung 1867 gebaut worden war. Seit dem Verkauf von Bagatelle, einer Villa nahe Paris im Jahr 1900 steht sie nun in Cliveden.
Im Laufe der Zeit veränderte sich das Aussehen der Pagode, der NT besann sich aber auf das ursprüngliche Design und es begannen aufwendige Restaurierungen. Heute präsentiert sie sich wieder in ihrer einstigen Farbgebung. Aufwendig war es, die Gold-Muster originalgetreu wiederzugeben.
Die größte Aufgabe, die bis heute nicht abgeschlossen ist, ist die Rekonstruktion eines aus 24 vergoldeten Teilen bestehenden Glockenspiels. Seit über 100 Jahren erklang dieses einzigartige Glockenspiel nicht mehr. Inzwischen konnten 8 Glocken aus Eisen wieder gefertigt, ölvergoldet und mit 24 Karat Gold, sowie einer traditionellen Bronze-Patina innen, rekonstruiert werden.
Secret Garden – Der Rosengarten
Den Secret Garden, jetzt wieder Rose Garden genannt, konnte ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr besuchen. Er wurde ein Jahr nach meinem Aufenthalt in Cliveden komplett restauriert. Aber ich möchte Euch doch gerne einige Basis-Informationen zu diesem Garten-Bereich geben.
Der Rosengarten in der alten Form gefiel dem 3. Viscount Lord Astor nicht und er beauftragte den Gartenarchitekten Sir Geoffrey Jellicoe 1959 diesen Gartenbereich dynamischer zu gestalten, aber trotzdem dort einen verschwiegenen Rückzugsort für die Familie Astor zu kreieren. Leider litt der Garten irgendwann so heftig an Rosenmüdigkeit, dass 2002 die Rosenstöcke durch Stauden ersetzt wurden. So hätte sich mir 2013 der Garten, namens Secret Garden, auch noch präsentiert.
Ein Jahr später wurde der Rose Garden wiederbelebt. Über 900 Rosen schaffen jetzt eine farbenfreudige Atmosphäre in diesem Teil des Parks. David Austin Rosen können dort auch von Besuchern erworben werden.
Cliveden Rd, Taplow, Maidenhead SL1 8NS, Vereinigtes Königreich
4 Kommentare
Wieder ein wunderbarer Rundgang. Ich finde die Hintergrundinfos sehr schön, denn das würde ich ja auch bei einem Besuch vor Ort und einer Führung erfahren. Es macht immer wieder Freude, deine Reisebeschreibungen zu lesen.
Ja, ich mag keine oberflächlichen Huschhusch-Aktionen, da arbeite ich seit jeher gegen die Internet-Gepflogenheiten. Und für mich ist die Stärke der englischen Gärten einfach die Historie, die Haus und Garten meist in guter Symbiose verbindet. Ich wünsche Dir jetzt schon ein schönes Wochenende. LG Wurzerl
In der Tat, die Aussicht auf den Fluss ist überwältigend! Was ich immer in Erinnerung behalte, auch bei Gärten, die mich nicht so ganz überzeugt haben, sind die Tiere, die ich gefunden habe. Dann ist es nur noch der Garten mit dem Pinselkäfer und der Rest ist egal. 😉
Aber Cliveden sieht insgesamt schon beeindruckend aus.
Viele Grüße
Elke
Nett, dass Du das schreibst, in Cliveden sah ich mein erstes Braunkehlchen. Ich war nach der ersten Schafstelze in der Nähe Great Dixters übermütig geworden. Überall erzählte ich, was ich tolles im (Foto)-Kasten hatte. Zuhause gleich als erstes die Fotos von Cliveden separiert und … es war ein ganz gewöhnlicher Robin. Da war: the wish is the father of the thought !!! Gut, wenn Corona mich nicht ausgebremst hätte, dann hätte ich sicher inzwischen ein “Echtes” entdeckt, oder ein Blaukehlchen? Oder doch wieder ein Robin??? Egal, ich kann Du sooooo gut verstehen. Viele Grüße Wurzerl